Wenn die Liebe abhandenkommt

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Meine Schmerzlektionen, Teil 13. Agnes Richener verrät ihre besten Tipps gegen Schmerzen. Trick Nummer 13: Eine spontane Umarmung im Alltag.

Einmal mehr möchte ich auf die Psyche von Schmerzpatienten eingehen, ganz besonders bei von Fibromyalgie betroffenen Menschen. Immer wieder höre ich von ratsuchenden Patienten mit chronischen Schmerzen, sie würden sich von den Ärzten nicht ernst genommen fühlen, sondern in die Psychoschublade gesteckt. Das ist so nicht gut, aber auch nicht ganz falsch. Wir, allen voran die Ärzte, sollten den Menschen als Ganzes sehen.

Während all der Jahre ist mir aufgefallen, dass man gleich an eine Depression denkt, sobald die Psyche angesprochen wird. Der Mensch hat nun mal eine Psyche, so wie er auch einen Körper hat. Wenn er an Schmerzen leidet, ist er niedergeschlagen und traurig. Und das geht an die Psyche, ohne dass man gleich von einer Depression sprechen muss.

Von einer Depression spricht man dann, wenn man länger als zwei bis drei Wochen nur noch traurig und niedergeschlagen ist. Wenn man die Bettdecke über den Kopf zieht und nicht mehr aufstehen möchte.

Sich selbst vernachlässigt, nicht mehr aus dem Haus gehen mag und sich zu Hause einigelt. Ja, dann ist es höchste Zeit, den Arzt aufzusuchen, denn dann spricht man von einer Depression.

Es gibt aber auch sehr viele Schmerzpatienten, die trotz der Schmerzen durchaus auch Freude empfinden und aktiv am Leben teilnehmen können. Bei mir ist das so. Ich leide nicht an Depressionen. Aber wenn ich während mehrerer Tage Schmerzen habe, geht es mir an die Psyche, und ich versuche da wieder herauszukommen.

Menschen mit einer Depression können sich ohne Hilfe von aussen nicht aus dem Tief befreien. Da hilft jeglicher Appell nichts, sich zusammenzureissen. Das geht deshalb nicht, weil die Antriebslosigkeit Teil der Depression ist.

Es ist erstaunlich, dass Menschen mit geringer Bildung häufiger an psychischen Störungen leiden als solche mit hohem Bildungsstand. Wenn ein Mensch schon früh Stress erleben muss, zum Beispiel durch Mangel an Liebe und Anerkennung, instabilen Beziehungen in der Kindheit, gerät er in enorme Schwierigkeiten. Der junge Mensch muss sich nun ständig beweisen, damit er wahrgenommen und geliebt wird und Wertschätzung erhält. Muss er das Jahre lang, ist es nicht verwunderlich, wenn er ein gesundheitliches Problem, wie beispielsweise chronische Schmerzen oder eine Fibromyalgie, bekommt. So kann es auch passieren, dass ein solcher Mensch sich zu einem Perfektionisten entwickelt, um sich so Anerkennung zu verschaffen. Das bedeutet, der Stress ist vorprogrammiert.

Ich erlebe sehr oft in meinen Beratungsgesprächen, dass sich viele gestandene Frauen selber klein machen, mir ihr Herz ausschütten, weil sie sich bei den Ärzten nicht wehren können. Mit unsachgemässen Äusserungen vermittelt man ihnen das Gefühl von Wertlosigkeit. Ein grosses Problem sehe ich darin, dass es immer weniger Ärzte gibt, die Patienten mit Fibromyalgie behandeln wollen, weil diese Krankheit ein Buch mit sieben Siegeln ist. Man sagt auch, diese Schmerzkrankheit sei wie ein Chamäleon.

Ist es nicht einfach so, dass auch die Liebe die Psyche gesund hält, denn die Liebe hält die Menschen zusammen, den meisten ist sie leider abhanden gekommen. Irgendwann mal habe ich bei einem Arzt an der Praxistüre einen Spruch gelesen, „Wer sich jeden Tag einmal umarmen lässt, kann sich oft den Gang zum Arzt ersparen.“ Darunter war eine Zeichnung mit zwei Strichfiguren, die sich umarmen. Das hat doch etwas Wahres!

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