Wenn Epidemiologen trötzeln statt beraten

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Christian Althaus teilte gerne aus, vor allem gegenüber der Politik. Oft mit einem abwertenden Unterton und in einem Empörungsstil, der mehr an Social Media-Kommentare erinnert als an die unaufgeregte und seriöse Sprache der Wissenschaft. Vorige Woche hat er die Corona-Taskforce des Bundes verlassen und teilte dies im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Dabei konnte er es nicht unterlassen, kräftig nachzutreten. «Die Politik muss endlich lernen, der Wissenschaft auf Augenhöhe zu begegnen», schrieb er im Tweet. Offenbar konnte er es auch nur schlecht verdauen, dass in einem Artikel der CH-Media-Zeitungen die Kritik der Regierung und Verwaltung an der Taskforce thematisiert wurde. Endlich, sollte man hinzufügen. Denn nicht nur der Bundesrat, sondern auch weite Bevölkerungskreise stören sich zunehmend daran, dass das Beratergremium – als das wurden die Wissenschaftler eingesetzt – die Politik mit den ewig gleich lautenden Forderungen nach einem Lockdown wie im März vor sich hertreibt und es bis heute versäumt, gesellschaftsverträglichere Alternativen für eine wirksame Bekämpfung der Pandemie aufzuzeigen.

Die Epidemiologie ist nur ein Teilaspekt der Pandemie

Die Wortwahl von Christian Althaus – die Politik müsse endlich lernen, der Wissenschaft auf Augenhöhe zu begegnen – zeugt von einem gehörigen Mass an Überheblichkeit. Die Epidemiologie ist gut und recht. Aber sie beleuchtet nur einen Teilaspekt der Pandemie. Die Fallzahlen zu senken ist ein hehres Ziel, aber zu welchem Preis, und das nicht nur ökonomisch, sondern auch menschlich. Man erinnere sich nur an die immensen Kollateralschäden der «harten» Massnahmen, an die Tausende von Kindern, die im Fernunterricht den Anschluss verlieren, an die Zehntausende von Menschen, die finanziell nicht mehr ein und aus wissen, an die drastische Zunahme von häuslicher Gewalt, Alkohol- und Drogensucht, an die epidemische Ausbreitung schwerer Depressionen. Das alles muss die Politik im Auge behalten, bevor sie Entscheide fällt.

Forderung nach einem Lockdown bis Ende März

Zum Glück folgt unser Bundesrat nicht blindlings den Epidemiologen. Sonst wären wir im Lockdown bis Ende März. Nochmals: Keinesfalls geht es darum, dem Virus freien Lauf zu lassen und jeden Tag hundert Todesfälle einfach so hinzunehmen. Es gibt wirksame Massnahmen gegen das Virus, die gezielter und weniger schädlich sind als die ganze Bevölkerung einzusperren. Solche Massnahmen sollte die Epidemiologie endlich aufzeigen. Christian Althaus hat nun Zeit dazu. Er wolle sich wieder auf seine universitären Forschungsprojekte konzentrieren. Das politische Spannungsfeld sei schwierig und belastend geworden, lässt er sich zitieren. Und gleich folgt der nächste Seitenhieb: «Ich bin beeindruckt von der Ausdauer meiner Kolleginnen und Kollegen.» Was er damit im Klartext meint, kann sich jeder selber ausdenken.