Wie wir länger leben

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Gegen das Altern ist niemand gefeit. Denn bisher ist es nicht gelungen, die Zeit anzuhalten. Was man hingegen zu einem guten Teil selber bestimmen kann ist, wie man altert. Deshalb mag Prof. Dr. med. Heike A. Bischoff-Ferrari auch den Begriff Anti Aging nicht. «Besser ist es, wenn man von Healthy Aging oder Healthy Longevity spricht», erklärt sie. «Wir wissen heute, dass der Lebensstil den grössten Teil unserer Lebenserwartung definiert. Damit sind vor allem Ernährung, Bewegung, Schlaf, eine positive Lebenseinstellung und soziale Interaktionen gemeint.»

Fakt ist, dass sich bis ins Jahr 2050 die Zahl der Erwachsenen über 65 Jahre weltweit verdoppeln und in Europa 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen wird. Die Verlängerung der gesunden und nicht nur der gesamten Lebenserwartung ist daher eine Priorität der Medizin von morgen. Dabei machen die Gene nur etwa 10 bis 30 Prozent der Variabilität unserer Langlebigkeit aus. So zeigen Studien, dass selbst bei einer genetischen Vorbelastung der Durchbruch einer Erkrankung wesentlich von Lebensstilfaktoren abhängt.

Ständig in Bewegung und hohe soziale Integration

Wie also sollen wir uns verhalten, um besser zu altern? Idealerweise beginnt der gesunde Lebensstil früh in der Familie. Gleichzeitig wissen wir, dass es nie zu spät ist für eine schützende Wirkung von gesunden Lebensstilfaktoren. Die heutige Forschung unterstützt hier vor allem eine Kombination machbarer Lebensstilanpassungen, die den individuellen Bedürfnissen und Vorlieben entsprechen. Es gibt Orte auf dieser Welt, die sogenannten Blue Zones, da leben die Menschen länger und sind im hohen Alter länger gesund und aktiv. Sie befinden sich in Italien, Japan, Costa Rica, Griechenland und Kalifornien. Die Forschung fragte sich: Was haben die Menschen dort gemeinsam, und welche Erkenntnisse kann man daraus ziehen? Die wichtigsten Elemente sind die mediterrane Ernährung, die ständige leichte Bewegung und die hohe soziale Interaktion. Typischerweise haben diese Menschen bis ins hohe Alter wichtige Aufgaben in der Familie oder unterstützen sich gegenseitig in einer aktiven und fröhlichen Gemeinschaft.

Intervallfasten, Vitamin D und Meditation. Was unsere Alterung beeinflusst

Ernährung

Insgesamt zeigt die Literatur, dass eine gesunde Ernährung mit einem hohen Anteil an Gemüse und Früchten, Vollkornprodukten, gesunden Fetten wie Olivenöl oder Rapsöl und wenig rotem Fleisch unsere DNA vor freien Radikalen schützt und so den Alterungsprozess verlangsamt. Bei älteren Menschen beugt eine ausreichende Eiweisszufuhr dem Muskelabbau vor.

Nahrungsergänzungsmittel

Bezüglich biologischem Alterungsprozess und Nahrungsergänzungsmitteln laufen derzeit verschiedene Studien. Eindeutige Belege sind ausstehend. Erste kleine Pilotstudien mit Erfassung epigenetischer Uhren als Messwert für das biologische Alter zeigen mögliche schützende Hinweise zum Beispiel für die mediterrane Diät, Vitamin D, Gemüse und Früchte und Omega-3-Fettsäuren. Europas grösste Altersstudie DO-HEALTH zeigte, dass die Kombination von 2000 IE Vitamin D plus 1 Gramm Omega-3 plus ein einfaches Krafttrainingsprogramm für zu Hause neue Krebserkrankungen über drei Jahre um 61 Prozent und frühzeitige Gebrechlichkeit um 39 Prozent reduziert.

Gewicht

Übergewicht ab einem BMI von mehr als 25 erhöht das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf- und muskuloskelettale Erkrankungen. In einer Harvard-Studie war das Gewicht einer von fünf Faktoren, der die gesunde Lebenserwartung im Alter von 50 Jahren wesentlich mitbestimmt. Die anderen vier der «Harvard 5» sind: nicht Rauchen, gesunde Ernährung, täglich 30 Minuten Bewegung und der mässige Alkoholgenuss wie zum Beispiel das Glas Rotwein in der mediterranen Diät. Frauen und Männer, die alle fünf Faktoren befolgten, gewannen 14 beziehungsweise 12 Jahre an Lebenserwartung verglichen zu ihren Altersgenossen, die keine der Faktoren befolgt haben.

Intervallfasten

Eine kürzlich im «New England Journal of Medicine» veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass Fasten mehrere wichtige Zellfunktionen auslöst. Das Umschalten vom Ernährungs- zum Fastenzustand hilft uns nicht nur Kalorien zu verbrennen und Gewicht zu verlieren, sondern trägt auch dazu bei, unseren Stoffwechsel zu verbessern: Der Blutzuckerspiegel sinkt, Entzündungen werden vermindert, und eine Reihe von gesundheitlichen Problemen wie Arthrose-Schmerzen bis Asthma verbessern sich. Relevant für den Alterungsprozess ist, dass die Nährstoffsensibilisierung einen wichtigen Mechanismus abbildet, der das biologische Alter verlangsamen oder beschleunigen kann. 

Bewegung

Neben der gesunden Ernährung hat Bewegung den grössten Einfluss auf die Gesundheit und den Alterungsprozess. Die Literatur zeigt, dass bereits ein kleines Bewegungsausmass, wie 20 Minuten Gehen am Tag, die Langlebigkeit wesentlich beeinflusst. Kommt man auf 10 000 Schritte am Tag, zeigen Studien eine Verminderung der frühzeitigen Sterblichkeit um bis zu 40 Prozent.

Stress

Stress, zum Beispiel durch Einsamkeit, führt zu einem Anstieg des Stresshormons Cortisol. Das wiederum nagt an allen Organfunktionen. Studien zeigen, dass soziale Interaktionen, Meditieren oder Achtsamkeitsübungen unsere Stressreaktion vermindert.

Prof. Dr. med. Heike A. Bischoff-Ferrari,
DrPH, Klinikdirektorin, Klinik für Geriatrie,
UniversitätsSpital Zürich,
Lehrstuhl Geriatrie und Altersforschung.