Morbus Fabry ist eine Erbkrankheit. Warum ist eine frühe Diagnose so wichtig?
Für viele seltene Krankheiten gibt es noch keine Therapie. Anders bei Morbus Fabry. Hier sind seit einigen Jahren sogar verschiedene Behandlungsansätze zugelassen. Da der Erfolg jedoch massgeblich vom Beginn der Therapie abhängt, ist es wichtig, die Diagnose so früh wie möglich zu stellen.
Was heisst «früh»?
Die Behandlung des Morbus Fabry via Enzymersatztherapie ist grundsätzlich in jedem Alter möglich. Die regelmässigen Klinikbesuche und die lange Therapiezeit sind aber gerade für kleine Kinder häufig nicht so einfach. Trotzdem empfehlen wir eine frühe Behandlung, insbesondere bei Buben. Früh heisst für uns im Alter von drei bis vier Jahren.
Warum unterscheidet man zwischen Mädchen und Buben?
Morbus Fabry wird über das X-Chromosom vererbt, von dem Buben nur eines haben. Ist auf dem X-Chromosom ein Defekt, schlägt er bei ihnen voll durch. Männliche Patienten mit einem klassischen Morbus Fabry sind deshalb immer und bereits früh betroffen. Sobald die Diagnose steht, sollte man über den Beginn der Enzymersatztherapie nachdenken. Anders bei Mädchen. Sie haben zwei X-Chromosomen. Je nachdem, welches der beiden inaktiviert wird, können Mädchen schwer, mittel, leicht oder gar nicht betroffen sein. Bei ihnen sind ausgedehnte Kontrollen im Jahresrhythmus wichtig, damit man mit der Therapie dann beginnt, wenn es sinnvoll ist.
Mit einer frühen Nierenbiopsie könnte man Veränderungen im Organ erkennen, bevor ein
Schaden entstanden ist.
Genau. Man muss sich das so vorstellen: Bei Morbus Fabry fehlt dem Betroffenen ein Enzym, das in den Zellen bestimmter Organe für den Abbau von Stoffwechselabfällen sorgt. Bei der Enzymersatztherapie wird dem Körper über regelmässige Infusionen das fehlende Enzym zugeführt. Es sorgt dafür, dass die Körperzellen nicht von Ablagerungen überschwemmt und Schäden verhindert werden. Schäden, die vor Therapiebeginn eingetreten sind, lassen sich damit aber nicht rückgängig machen. Deshalb sollte man mit der Enzymersatztherapie starten, bevor Organschädigungen aufgetreten sind. Und das ist idealerweise im Kindesalter.
Wie werden Eltern begleitet, wenn beim Nachwuchs die Diagnose Morbus Fabry gestellt wird?
Die Familien werden multidisziplinär unter Einbezug von Psychologinnen, Kardiologen, Nephrologinnen und den Stoffwechsel-Spezialisten betreut. Individuell bieten wir den Familien psychologische Betreuung an und empfehlen ihnen eine Mitgliedschaft in Patientenorganisationen wie Fabrysuisse, um sich mit Betroffenen auszutauschen.
Wie findet man einen Fabry-Betroffenen, wenn in der Familie bisher niemand diagnostiziert wurde?
Die frühen Symptome von Morbus Fabry sind teilweise sehr unspezifisch. Den Kindern fällt es oft schwer, gerade die Schmerzen in Händen und Füssen bei Anstrengung, bei Fieber oder bei Temperaturwechseln exakt zu beschreiben. Meist sagen die Kleinen, dass Ameisen in den Händen und Füssen laufen. Typischerweise haben kleine Patienten mit Morbus Fabry Blähungen und wiederkehrende Durchfälle. Auffällig ist auch, dass sie Hitze meiden, weil sie nicht richtig schwitzen können. Alle diese Symptome sind unspezifisch und gerade Blähungen und Durchfall kommen bei vielen Kindern vor. Der Kinderarzt muss also sehr aufmerksam sein und nach zusätzlichen Symptomen fragen, um einen Morbus Fabry zu entdecken. Hilfreich ist eine detaillierte Familienanamnese. So kann man herausfinden, ob schon Grosseltern, Onkels oder Tanten unter komischen Empfindungen gelitten haben, die man damals nicht hat zuordnen können.

Ist mit Morbus Fabry ein normales Leben möglich?
Wir werden dies in einigen Jahren beantworten können, sobald die Kinder, die wir seit 15 Jahren mit der Enzymersatztherapie behandeln, etwa 25 bis 30 Jahre alt sind.
Sind psychische Probleme ein Thema bei betroffenen Kindern?
Die chronische Krankheit ist auch für Kinder und Jugendliche belastend. Emotional schwierig wird es dann, wenn die Kinder und Jugendlichen unter Gruppendruck geraten und nicht überall mitmachen können.
An was ausser der Lebensqualität kann man die Wirksamkeit der Therapie überprüfen?
Man kann einen Vergleich herstellen zu Betroffenen, die nicht oder erst spät therapiert wurden. Hier wird vor allem die Herz- und Nierenfunktion untersucht. Daneben gibt es einzelne neuere Biomarker im Blut, die zeigen, wie die Therapie anspricht.
Seit der Lancierung der Enzymersatztherapie im Jahr 2001 sind kaum noch Fortschritte erzielt worden. Liegt Ihre grosse Hoffnung nun in der Gentherapie?
Die Forschung zeigt uns je länger je mehr, dass die alleinige Gabe eines biotechnologisch hergestellten Enzyms die Folgen des Defekts zwar mildern, aber den Defekt nicht komplett beheben kann. Durch die abnorme Ablagerung von Stoffwechselabbauprodukten in den Zellen entstehen viele Kollateralschäden in den Organen. Die Hoffnung ist gross, dass sich diese durch eine Gentherapie verhindern lassen.
Wie würde für Sie die optimale Therapie aussehen?
Jene, die zur vollständigen Heilung führt.
Fabrysuisse hilft
Fabrysuisse fördert den Informationsaustausch zwischen Betroffenen und medizinischem Fachpersonal. Patientinnen und Patienten finden einfachen Zugang zu medizinischen Informationen. Fabrysuisse hilft, Kranke zu erreichen und zu informieren. Die Organisation ist durch die gemeinsame Initiative von Patientinnen, Patienten und der Ärzteschaft entstanden.