Besser auf den pH-Wert achten

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Mit welchen Themen kommen Frauen zu Ihnen?

Mit all jenen, für die man in der Gynäkologiepraxis vielleicht zu wenig Zeit hat. Schmerzen beim Sex zum Beispiel. Dann immer wiederkehrende Blaseninfekte und alle Formen der Inkontinenz. Ebenfalls ein grosses Thema ist bei mir Lichen sclerosus. Das ist eine chronisch verlaufende, nicht ansteckende entzündliche Hauterkrankung des äusseren Genitalbereichs. Typische Symp­tome sind Brennen, Jucken und weisse Flecken. Alle diese Frauenthemen brauchen Zeit, Geduld und Verständnis, die man auf dem Gynäkologenstuhl oft nicht hat.

Gibt es Frauen, die niemals ein Problem im ­Intimbereich haben?

Die sind selten. Ich kenne niemanden. Ein grosser Teil der Arbeit in der Gynäkologie­praxis betrifft die Behandlung von vaginalen Infekten. Das tangiert fast jede Frau einmal in ihrem Leben, denn der Zyklus und die Hormonsituation verändern sich laufend.

Was passiert in der Phase der Wechseljahre?

Das Geschlechtshormon Östrogen sorgt für die Feuchtigkeit und die Dicke der Schleimhaut. In den Wechseljahren reduziert sich auch das Östrogen. Die Schleimhäute werden dünner, trockener und faltiger. Krankmachende Bakterien können sich in einer trockenen Intimflora leichter einnisten.

Was kann man tun?

Bei Trockenheit der Vulva braucht es zur Pflege nebst Wasser auch pflegende, fettende Öle. Bei innerer Trockenheit der Vagina eine gute Beratung. Helfen können Hormone, auch bioidentische. Oder ein Östrogengel, das lokal unterstützt. Gut ist die Bewegung des Beckenbodens, denn sie fördert die Durchblutung. Ein durchbluteter Muskel ist aktiver und praller und hat auch mehr Feuchtigkeit. Nebst dem klassischen Beckenbodentraining ist zum Beispiel Tanzen eine fantastische Möglichkeit, etwas für den Beckenboden zu tun.

Wo liegt der Schlüssel zu einem gesunden ­Intimbereich?

Weniger ist mehr! Eine übermässige Intimhygiene mit Intimwaschlotionen, Feuchttüchern und so weiter bringen die Vaginalflora aus dem Gleichgewicht. Eine einfache Reinigung der Vulva mit Wasser reicht aus. Zudem hat vieles mit dem gesunden Mikrobiom zu tun, also mit den Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Viren auf und in unserem Körper. Es geht um die Balance. Der pH-Wert im Vaginalbereich muss sauer sein, optimal ist er zwischen 3,8 und 4,4.

Können Frauen etwas für dieses Gleichgewicht tun?

Auf jeden Fall! Viele wissen da aber leider nicht Bescheid. Das Wichtigste sind die Milchsäurebakterien, im Fachjargon Laktobazillen genannt. Sie bilden die körpereigene Abwehr, indem sie das saure Milieu in der Vagina herstellen. Das hat ganz direkt mit dem Immunsystem und der Darmflora zu tun, denn Laktobazillen gelangen auch aus dem Darm in die Vagina. Wenn die Darmflora nicht fit ist, ist oftmals auch die Vaginalflora nicht fit. Umgekehrt gilt: Probiotika, die als Tablette geschluckt werden, tragen dazu bei, den Darm und im gleichen Zug auch die Vaginalflora wieder stark zu machen.

Gilt denn die Regel, im Intimbereich immer von vorne nach hinten zu wischen, nicht mehr?

Doch doch! Das ist ganz wichtig. Durch falsches Wischen gelangen zum Beispiel E.-coli-Bakterien in die Blase, die eine Blasenentzündung verursachen können.

Wodurch wird das vaginale Gleichgewicht sonst noch gestört?

Durch eine übermässige Intimpflege, durch eine unharmonische Beziehung und generell durch Stress, denn Stress verändert die Darmflora, weil man sich vielleicht einseitig ernährt. Aber auch durch männliches Sperma, denn der pH-Wert von Sperma ist basisch, also genau das, was die Vaginalflora nicht sein sollte.

Viele beklagen sich nach der Menstruation, warum?

Weil das Blut ebenfalls basisch ist. Zudem werden mit dem Blut viele der nützlichen Laktobazillen ausgeschwemmt.

Auch Antibiotika zerstören die guten Milchsäure­bakterien. Doch Blasenentzündungen werden häufig mit Antibiotika behandelt. Was empfehlen Sie?

Ich bin nicht gegen die Behandlung mit Antibiotika. Die Frage ist, wie oft man das machen soll. Daneben muss man unbedingt die Ursachen suchen. Manchmal hilft ein Blick auf die sexuellen Praktiken. Häufig wechselnde Beziehungen sind eine Herausforderung für jede Vaginalflora.