Das Zittern macht mich traurig und verzweifelt

Bild: AdobeStock, Urheber: Alessandro Grandini

Ich bin eine 58-jährige, eigentlich gesunde Frau. Ich habe zwei tolle erwachsene Söhne und bin mit meinem Leben zufrieden und glücklich. Einzig, als ich etwa 20 Jahre alt war, kam schleichend der essentielle Tremor in mein Leben, wahrscheinlich vom Vater vererbt. Seit einigen Jahren stört mich dieses Zittern sehr, und es wird immer schlimmer. Es ist jetzt so offensichtlich, dass ich es nicht mehr verstecken kann. Das ist mir höchst unangenehm, und ich empfinde das echt als eine Behinderung oder zumindest starke Beeinträchtigung.

Sogar beim Essen zittere ich

Diese Krankheit beeinträchtigt mein Leben so stark, dass ich keine feinmotorischen Dinge wie Nähen, Zeichnen, Schönschreiben oder Handwerken mehr machen kann, obwohl ich das immer sehr liebte. Neuerdings belastet mich auch das Essen, weil ich mit der Gabel in der Hand zittere. Im Beisein von Freunden oder Arbeitskollegen, die davon wissen, ist es nicht so schlimm. Aber wenn ich mit Menschen, die mich nicht kennen, zusammen bin, fühle ich mich schlecht und unwohl. Das macht mich traurig und verzweifelt.

Ein Austausch würde mir helfen

Im Juli 2023 war ich beim Neurologen und machte verschiedene Tests. Die einzige Lösung momentan ist, dass ich ein Medikament mit Propranolol einnehme, entweder punktuell oder dauerhaft. Leider bringt das aber wieder andere Nebenwirkungen mit sich. Für mich als betroffene Person wäre es ein Geschenk, mehr über diese Krankheit zu erfahren. Zum Beispiel über mögliche Therapien. Leider gibt es nicht viel Literatur dazu, und die meisten Betroffenen schweigen über ihr Leiden, weil es ein Tabu ist. Es wäre mir auch eine grosse Freude, mich mit Gleichgesinnten austauschen zu können.

Das sagt Dr. med. Michael Lehmann, Neurologe an der Klinik Hirslanden:

Die genaue Ursache des essentiellen Tremors ist ungeklärt. Es spricht aber vieles dafür, dass die Erkrankung Ausdruck unterschiedlicher neuronaler Fehlfunktionen infolge von genetischen Faktoren und Umweltfaktoren ist. Stress, bestimmte Medikamente, Alkohol- und Koffeinkonsum könnten die Symptomatik auslösen oder mindestens verstärken.

Auch Stimme, Kopf oder Beine zittern

In der Regel handelt es sich um eine harmlose Erkrankung, in dem Sinne, dass keine weiteren gesundheitlichen Probleme auftreten. Jedoch kann die Lebensqualität wegen der feinmotorischen Schwierigkeiten erheblich beeinträchtigt sein. Zudem zittern bei einigen Betroffenen auch Stimme, Kopf oder Beine.

Um einen essentiellen Tremor zu diagnostizieren, werden die Betroffenen und zum Teil die Angehörigen gründlich befragt. Häufig kann eine zusätzliche elektrophysiologische Untersuchung, bei der mit Oberflächenelektroden die Tremor-Aktivität der beteiligten Muskelgruppen in Ruhe und unter Belastung abgeleitet wird, die Verdachtsdiagnose stützen und von anderen Erkrankungen mit den gleichen Symptomen differenzieren. Auch Labortests und eine Bildgebung des Kopfes können andere Ursachen ausschliessen.

Unterschied zu Parkinson

Ein wesentlicher Unterschied zu einer Parkinson-Erkrankung ist, dass das Zittern beim essentiellen Tremor in der Regel bei Bewegung und dem Halten von Gegenständen stärker ausgeprägt ist als in Ruhe. Bei der Parkinson-Krankheit liegt ein Zittern eher in Ruhe vor und bessert sich sogar bei aktiver Bewegung. Zudem kommen bei der Parkinson-Erkrankung weitere Symptome wie die Verlangsamung der Bewegung, eine Steifigkeit der Muskulatur oder Gleichgewichtsstörungen hinzu.

Symptome lindern

Eine Heilung gegen den essentiellen Tremor gibt es nicht. Eine medikamentöse Behandlung kann aber die Symptome lindern. Die Medikamente der ersten Wahl sind Propranolol und Primidon. Alternativ kommt noch ein Medikament mit Topiramat in Frage. Ein weiteres Verfahren wäre der Einsatz von Botulinumtoxin. In Einzelfällen kann auch eine tiefe Hirnstimulation einer speziellen Hirnregion diskutiert werden. Wichtig sind wie immer eine individualisierte Betrachtung und Entscheidung.

Einfache Veränderungen im Alltag können helfen, das Zittern besser in den Griff zu bekommen. Zum Beispiel der Verzicht auf bestimmte Medikamente oder auf Koffein. Auch bewusste Entspannungsübungen und Physio- oder Ergotherapie sind gut. Zudem sollte man genügend schlafen.

Ihre Sprechstunde

Sie leiden auch unter einem essentiellen Tremor? Schildern Sie Ihre Erfahrungen und teilen Sie Ihre Tipps mit uns. Ganz einfach per Mail an [email protected].