Hilfe, wenn der Sex schmerzt

Sex Dania Schiftan

«Eine mechanisch herbeigeführte Entspannung der Scheide bringt überhaupt nichts, weil sie die Ursache nicht behandelt», sagt die Zürcher Sexualtherapeutin. «Die Vagina muss sich von selber öffnen. Genau das tut sie, wenn sie aus Freude an der Sexualität und aus Lust auf die Sexualität bereit ist, den Penis des Partners in sich aufzunehmen. Mit Entspannung hat das wenig zu tun, aber mit Erotisierung. Allein dadurch wird die Vagina feucht und nass, und allein durch Erotisierung bekommt Sex überhaupt einen Sinn, der sich nicht am Kinderwunsch erschöpft. Leider wissen viele Frauen immer noch nicht, wie man die ganze Vagina erregt. Stattdessen sind sie darauf getrimmt, ausschliesslich über die Klitoris zum Orgasmus zu kommen, wenn überhaupt.»

Fast täglich kommen Frauen mit solchen Problemen in die Praxis von Dania Schiftan. Sie sind verzweifelt, weil es mit dem Sex einfach nicht klappen mag. Doch die Sexualtherapeutin weiss Rat: «Die ganzheitliche Erregbarkeit der inneren Scheide ist nicht gottgegeben. Sie lässt sich aber herbeiführen. Genau das ist das Ziel meiner Therapie.»

Drei Typen von Frauen

Drei Typen von Frauen werden unterschieden. Solche, bei denen sich die Scheide wegen eines Scheidenkrampfes überhaupt nicht öffnet. Solche, die den Penis aufnehmen können, denen die Scheidenwände aber wegen Überempfindlichkeit wehtun. Und solche, deren Scheide vor dem Sex nicht richtig feucht wird und darum extrem schnell Schmerzen bekommen beim Geschlechtsverkehr.

Unvertrautheit mit der Scheide

Wenn sich die Scheide komplett verschliesst, spricht man von Vaginismus. Es gibt Frauen, bei denen es noch nie geklappt hat, und solche, die zwar schon Sex hatten, aber im Verlaufe der Zeit eine Angst davor entwickelten. Auslöser muss kein sexueller Übergriff sein, sondern kann auch Angst vor Schwangerschaft, eine schmerzhafte Erfahrung und als Hauptgrund Unvertrautheit mit der Scheide sein. Es passiert einfach und sie hat keine Ahnung, wozu die Scheide eigentlich fähig ist. Darum entstehen die Bilder von Mini-Scheide und Maxi-Penis, was bei ihr wiederum Angst auslöst. «Die Vagina schützt sich dann und geht zu wie eine Auster. Das macht biologisch Sinn. Mund, Nase und Augen schliessen sich auch, wenn Gefahr droht», so Dania Schiftan. «Blöd ist nur, wenn die Scheide Gefahr wittert, obwohl die Frau gerne Sex möchte.»

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Angst vor dem Kontrollverlust

Welche Frauen neigen zu Vaginismus? «Solche, die ihr eigenes Geschlechtsteil nicht selten als grusig, dreckig, schleimig empfinden. Die Menstruation ist grusig, der Geruch ist grusig. Die Scheide ist abnormal, zu eng, zu klein. Es geht um Angst vor Verletzung, Zerstörung, Schmerzen. Die Therapie braucht viel Zeit und Geduld. Zuerst lasse ich diese Frauen ihr Geschlecht zeichnen. Wenn sie es klitzeklein darstellen, sieht man, welch geringe Bedeutung es bisher für sie hatte. Oft sind es auch Frauen mit Angst vor Kontrollverlust. Sie möchten alles im Griff behalten. Die eigene Lust, das Sich-hingeben finden sie abstossend und schräg, und den Penis des Mannes aggressiv, zu dick, zu gross und so hart wie eine Waffe. Das Ejakulat ist für sie etwas vom Hässlichsten, das es gibt. Widerlich, eklig. Der Sex ist animalisch, triebgesteuert, schlimm.»

Die Schmerzspirale

Dann gibt es jene zweite Gruppe von Frauen, deren Scheide offen ist, aber beim Verkehr wehtut. Das kann laut Dania Schif­tan verschiedene Gründe haben. «Eine Narbe kann stören, die Haut kann überempfindlich sein. Die einen Frauen nehmen das locker. Andere überbewerten diesen Schmerz und rutschen in die Angst-vor-dem-Schmerzspirale. Grundsätzlich machen die meisten Frauen ganz am Anfang der sexuellen Erlebnisse mehr oder weniger schmerzhafte Erfahrungen, weil die Vagina noch sehr eng ist. Das ist völlig normal.» Ist die Vagina auch nach Jahren noch überempfindlich, hilft eine Desensibilierungstherapie.

Braches Innenleben

Die grosse Mehrheit der schmerzgeplagten Frauen gehört aber zur dritten Gruppe: Bei ihnen wird die Scheide nicht feucht genug. «Hier geht es um das Thema der unvertrauten, nicht bewohnten Scheide.» Nicht bewohnt? «Ja, die Scheide in ihrer Gesamtheit wird und wurde noch nie in die Selbstbefriedigung, geschweige denn in den Sex miteinbezogen. Sie ist nicht erotisiert, wird nicht feucht und tut weh, wenn man Sex ohne Gleitmittel macht. Solche Frauen sagen häufig zu ihrem Partner ‹Befriedige du mich zuerst, dann wird meine Scheide weicher und dann halte ich deinen Penis auch zehn Minuten aus›. Allen diesen Frauen ist eins gemeinsam: Sie machen keine Selbstbefriedigung und haben einen Modus entwickelt, der nur das äussere Geschlechtsteil mit der Klitoris, viel Spannung und viel Reibung einbezieht, nicht aber den grossen inneren Teil. Dann ist alles, was in die Scheide hineingeht, nicht geübt. Und genau das ist der Punkt. Das Innenleben der Scheide liegt brach. Solche Frauen haben häufig auch Mühe mit dem gynäkologischen Untersuch beim Frauenarzt.»

Dania Schiftan ermuntert die Leidtragenden: «Holt euch Hilfe! Es gibt sie. Man kann die Probleme mit der Feuchtigkeit beheben, aber es braucht Arbeit und Zeit.» Und sie verspricht: «Es lohnt sich.»

Erotisierung

Ihr Ansatz ist ganz einfach. Erst eine erregbare Vagina erzeugt Lust auf Pene­tration. Sobald sie positive Rückmeldungen gibt, öffnet sie sich und wird feucht. Zuerst braucht es dazu gedanklich ein neues Bild. Dania Schiftan: «Viele Therapeuten lassen ihre Klientinnen Stäbe einführen, die immer grösser werden und so die Vagina dehnen. Oder sie spritzen Botox, um die Muskeln zu entspannen. Dann ist Sex mechanisch zwar möglich, aber mehr nicht. Das ist aus meiner Sicht Chabis. Ich halte nicht viel von solchen Praktiken, weil sie nicht nachhaltig sind. Ich sehe die Lösung über die Erotisierung der Scheide. Die Frauen müssen auch Wörter finden für ihr Geschlecht, müssen lernen, wie es aufgebaut ist, dass es wie ein Ballon aufgeht, wenn es erregt ist, und dass man die Erregung selber herbeiführen kann. Die meisten denken, die Frau sei beim Liebesspiel das passive Geschlecht und der Mann das aktive. Die Frau liege einfach da und dann kommt der Eindringling. Völlig falsch! Die Frau soll entscheiden, soll den Penis aktiv in sich aufsaugen, weil sie es so will. Eine Frau, die ihren Körper kennt und liebt, freut sich, wenn ein erregter Mann kommt.»

An sich selber üben

Und wie erlernt sie das? Dania Schiftan: «Zuerst muss sie es an sich selber üben. Sich selber anfassen und berühren, aber noch ohne sexuelle Absicht. Den Beckenboden bewegen, den ganzen Körper bewegen. Sich Zeit nehmen, sich beim Duschen berühren, beim Eincremen, ganz sanft und langsam. Erst wenn das als angenehm und vertraut empfunden wird, kann man mehr und mehr Erregung einbauen. Aber im Gegensatz zu früher muss nun auch die Vagina – das innere Geschlecht – berührt werden, nicht nur die Vulva – das äussere Geschlecht. Gepaart mit sexuellen Gedanken entsteht so ein ganz neues Sexualgefühl. Die Frau erlebt sich selber als aktiv. Sie bestimmt, was geht. Innen drücken, berühren, reiben. Aussen gleichzeitig mit der Klitoris spielen. Die Frau hält das Gefühl aus und findet es zunehmend schön. Wenn zwischendurch die alten Gedanken wieder kommen, ist das völlig normal; dann hilft eine Pause. Die Selbstkontrolle ist ganz wichtig. Erst mit einem Finger, später mit zweien oder dreien. Dann holt sie sich vielleicht einen Dildo. Sie nimmt ihn in sich auf und findet es schön. Dann, wenn es für sie richtig ist.»

Partner in die Therapie miteinbeziehen

Erst jetzt wird der Partner in die Therapie miteinbezogen. «Er legt seine Hand auf ihre und spürt, was sie genau macht, welche Bewegungen sie ausübt. Später führt sie seine Finger an ihre Scheide, beginnt sie einzuführen. Erst dann bezieht sie seinen Penis mit ein. Sie guckt ihn an, berührt ihn. Nimmt ihn in ihren Mund und spürt, wie er sich im Verlauf der Erektion verändert. Sie merkt auch, dass der Penis gar nicht so überdimensional gross ist. Dann führt sie ihn immer mehr an ihre Scheide heran, spürt von aussen, wie er sich anfühlt. Man muss wirklich ganz sachte vorwärts gehen, damit es klappt. Die Frau darf keinen Kon­trollverlust haben in dieser Phase. Sie muss den Prozess selber steuern, nicht der Mann. Sie nimmt den Penis in sich auf, und der Mann muss lernen, die Ejakulation hinauszuzögern. Vielleicht wird der Penis dann auch schlaff. Das ist kein Problem. Wenn die Frau alle diese Lernschritte gemacht hat, bekommt sie für den gesamten Ablauf ein anderes Verständnis. So kann sie schmerzfreien und lustvollen Sex haben.»

Kontakt

Dania Schiftan ist Psychotherapeutin und klinische Sexologin. www.daniaschiftan.ch

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