Die Wahrheit über Ausdauertraining

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In der Theorie ist das Abnehmen mit Ausdauertraining einfach. Mit den oft empfohlenen 150 Minuten pro Woche – was ungefähr 1500 kcal entspricht – sollte man theoretisch pro Jahr annähernd 10 Kilo an Gewicht verlieren. In der Praxis sieht es aber oft anders aus. Eine Zusammenfassung aus Hunderten von Studien hat ergeben, dass mit 150 Minuten Ausdauertraining pro Woche ein jährlicher Gewichtsverlust von nur ca. 3 kg erwartet werden kann. Obwohl jedes Kilo weniger gut ist, liegt das oft weit unter den Erwartungen.

Sport macht auch hungrig

Doch warum diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis und welche Lektion kann man daraus lernen, um mit Ausdauersport wirklich abzunehmen? Erstens ist es wichtig zu verstehen, dass 150 Minuten Ausdauersport pro Woche nur einen sehr kleinen Teil des täglichen Energieverbrauchs ausmacht, wie in folgender Abbildung veranschaulicht wird.

Diese Menge an Bewegung entspricht ungefähr dem Verbrauch von 200 kcal pro Tag. In der Theorie reicht das aus, um pro Jahr annähernd 10 Kilos abzunehmen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die anderen Variablen – hauptsächlich die Alltagsaktivitäten und die Nahrungsaufnahme – konstant bleiben. In der Praxis ist das aber eine echte Herausforderung, da ein gezuckertes Getränk oder eine grössere Portion beim Mittag- oder Abendessen schon ausreichen, um die 200 kcal zu kompensieren. Auch eine Abnahme der Alltagsaktivitäten, um sich vom Sport zu erholen, kann die Kalorienbilanz verschlechtern. Da unser Körper in der Regel einen Gleichgewichtszustand anstrebt, ist es normal, dass wir nach dem Sport verführt sind, mehr zu essen und zu entspannen. Das ist physiologisch bedingt und erfordert eine hohe Willenskraft, um zu widerstehen.

Auf das Trainingsvolumen kommt es an

Es gibt aber einen Trick. Neuere Studie deuten nämlich darauf hin, dass wir nur bei kleinem Energieverbrauch die Kalorien vollständig mit der Nahrung wieder aufnehmen. Bei ausgedehntem Ausdauertraining scheint hingegen das Hungergefühl nicht auszureichen, um die verbrauchten Kalorien vollständig zu kompensieren. Ein hohes Trainingsvolumen hilft deshalb in zweierlei Hinsicht: Es erhöht den Energieverbrauch erheblich und hilft, den Hunger besser in den Griff zu bekommen. Doch wie viel Ausdauertraining soll es sein? Eine wegweisende Studie mit adipösen Teilnehmern hat gezeigt, dass mit einer Stunde pro Tag grosse Effekte erzielt werden können. Die Probanden haben während dreier Monate jeden Tag mit Joggen oder zügigem Gehen 700 kcal verbraucht. Die Resultate lassen sich sehen. Die Versuchspersonen haben in dieser Zeit im Durchschnitt 7,5 Kilo abgenommen.

Abnehmen braucht immer Geduld

Wenn man also mit Ausdauertraining abnehmen will, so gibt es zwei Hauptstrategien. Bei kleinem Trainingsvolumen, also bis ungefähr 150 Minuten pro Woche, sollte man dies am besten mit weniger essen und mehr Bewegung im Alltag kombinieren, um gute Ergebnisse zu erreichen. Bei hohem Trainingsvolumen, also bei 300 Minuten oder mehr pro Woche, kann das schon ausreichen, um wesentlich an Gewicht zu verlieren. Alltagsaktivitäten und eine gesunde Ernährung sind aber auch in diesem Fall erstrebenswert, um opti­male Ergebnisse zu erzielen. Welche Strategie man verfolgt, spielt letztlich eine untergeordnete Rolle. Am besten wählt man eine, die auch langfristig aufrechterhalten werden kann, denn abnehmen braucht Ausdauer.

So geht’s

  • Geeignete Sportarten fürs Ausdauertraining sind z.B. Wandern, Schwimmen, Velo fahren, Joggen, Rudern, Spazieren, Langlaufen und Inlineskaten. Spielsportarten sind auch sehr effektiv, um viele Kalorien zu verbrennen.
  • Die Dauermethode: Bei dieser Trainingsform übt man eine Sportart über einen längeren Zeitraum mit moderater Intensität aus. Moderate Intensität entspricht auf einer Anstrengungsskala von 0 (Ruhe) bis 10 (sehr anstrengend) den Werten 3 oder 4. Beispiele: halbstündiges lockeres Joggen, einen Kilometer schwimmen, ein ausgedehnter Spaziergang, eine Bergwanderung oder mit dem Velo oder den Inlineskates eine Runde machen.
  • Die Intervallmethode: Beim Intervalltraining – oft auch HIIT genannt, aus dem englischen High Intensive Interval Training – werden niedrig- mit hochintensiven Intervallen abgewechselt. Intensiv entspricht auf der Anstrengungsskala Werten von über 5. Beispiele: 4 x 4 Minuten hochintensives Joggen mit 3 Minuten lockerem Gehen dazwischen, mit dem Velo die Hügel schnell hinauffahren oder ein Fussballspiel.
  • Ob Dauermethode oder Intervallmethode, moderat oder intensiv, Wandern oder Tennisspielen: Wählen Sie etwas, dass Ihnen Spass bereitet. Denn woher die verbrauchten Kalorien stammen, spielt fürs Abnehmen keine Rolle.
  • Mit 300 Minuten Ausdauertraining pro Woche sollte ein Kilo pro Monat Gewichtsverlust realistisch sein. In Kombination mit mehr Alltagsaktivitäten und weniger essen sogar noch mehr.
  • Ausgedehnte Aktivitäten wie das Wandern eignen sich besonders gut, um die angestrebte Dauer zu erreichen. Auch Aktivitäten mit hoher Intensität sind dafür geeignet, denn diese zählen doppelt. Ein halbstündiges intensives Joggen darf zum Beispiel wie ein 60-minütiges lockeres Joggen gezählt werden.
  • Auch wenn die Körperwaage nicht mitmacht, versuchen Sie trotzdem, auf Bewegung und Ausdauersport nicht zu verzichten. Denn schon ein Pensum von 150 Minuten pro Woche hat verschiedenste positive Effekte auf die Gesundheit und hilft, nicht weiter oder wieder zuzunehmen. Es verhindert auch, dass Muskelmasse abgebaut wird, was wichtig für den Erhalt des Ruheumsatzes und der funktionellen Unabhängigkeit ist.
  • Steigern Sie den Umfang des Trainings mit der Zeit. Es müssen nicht sofort 300 Minuten pro Woche sein. Vergessen Sie nicht, auf Ihr Körpergefühl zu hören.
  • Die Trainings können gut in 30- bis 90-minütige Einheiten unterteilt werden. Eine mehrstündige Wanderung oder Velofahrt kann jedoch schon viel zum angestrebten Ziel beitragen.
  • Falls Sie das motiviert, benutzen Sie eine App oder eine Sportuhr, die die verbrauchten Kalorien abschätzt. Verlassen Sie sich aber nicht zu sehr auf die Werte, da diese von Person zu Person sehr stark variieren können.
  • Lassen Sie sich zuerst von Ihrem Arzt testen, falls Sie noch keine Erfahrung mit Ausdauersport gemacht haben. Insbesondere wenn Sie beim Sport Anzeichen von Atemnot, Brustschmerzen, Herzklopfen oder Schwindel verspüren.

Fazit

Ausdauertraining im kleinen Umfang muss mit einer reduzierten Nahrungseinnahme und/oder mehr Bewegung im Alltag kombiniert werden, um erfolgreich abzunehmen. Das erfordert aber eine hohe Willenskraft. Ein höheres Trainingsvolumen vereinfacht das Unterfangen, da es den Energieverbrauch noch zusätzlich erhöht und die Regulierung des Appetits verbessert. Bei hohem Energieverbrauch reicht das Hungergefühl nämlich nicht aus, um die verbrauchten Kalorien wieder aufzunehmen.