Ein enormer Fortschritt

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Multiple Sklerose ist noch immer die häufigste Ursache für Behinderungen bei jungen Menschen. Meist treten die Symptome im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Frauen erkranken dreimal häufiger als Männer. In der Schweiz sind über 15 000 Menschen betroffen. Die Ursache der Autoimmunerkrankung ist bis heute nicht geklärt. Noch bis vor 30 Jahren galt die Krankheit als nicht behandelbar.

Bessere Steuerbarkeit der Behandlung

Neurologen können heute aus über 15 verschiedenen Medikamenten wählen. «Multiple Sklerose ist sehr gut behandelbar», erklärt Prof. Dr. med. Christian Kamm, Leiter des Multiple Sklerose Zentrums am Neurozentrum des Kantonsspital Luzern. Neu dazugekommen ist ein monoklonaler Antikörper, der vor allem für Betroffene mit aggressivem, schubförmigem Verlauf der Erkrankung geeignet ist. «Der Wirkmechanismus des Antikörpers ist die gezielte Elimination von B-Zellen. Durch die Entfernung der B-Zellen wird das Immunsystem daran gehindert, unerwünschte Entzündungen im Gehirn und Rückenmark von MS-Patienten auszulösen», erklären die Neurologen PD Dr. Andreas Lutterotti und Prof. Dr. med. Adam Czaplinski vom Neurozentrum Bellevue in Zürich und der Klinik für Neurologie Hirslanden. Der monoklonale Antikörper unterscheidet sich von den bisher eingesetzten Therapien in der Herstellung, aber auch in der Anwendung. Er wird als vollständig humaner monoklonaler Antikörper hergestellt, mit dem Ziel, das Risiko für Abstossungs- und allergische Reaktionen zu senken. «Im Vergleich mit anderen Präparaten wird der neue Wirkstoff in einer geringeren Dosis, aber häufiger gegeben. Man erhofft sich dadurch eine bessere Steuerbarkeit der Behandlung», betonen die Ärzte vom Neurozentrum Bellevue.

Rigorose Bekämpfung der Entzündung

«Der neue Wirkstoff gehört zu den wirksamsten Medikamenten. Die Schubrate wird extrem verringert», erklärt Prof. Christian Kamm. Das sind exakt auch die Erfahrungen, die PD Dr. Lutterotti und Prof. Dr. Czaplinski mit dem neuen Antikörper gemacht haben: «Die Ergebnisse der Studien mit dem monoklonalen Antikörper zeigen, dass man das Fortschreiten der Erkrankung wirksam reduzieren kann. Damit kommen wir dem Ziel, Entzündungen bei MS-Patienten komplett zu stoppen, ein weiteres Stück näher.» Mit nur einer Injektion pro Monat, die sich Betroffene subkutan selber spritzen können, ist auch das Handling sehr einfach. Die Aussage der klinischen Studie, dass mit dem neuen Antikörper mit nur einem Schub in 20 Jahren zu rechnen ist, beruht auf den vorhandenen Daten, die hochgerechnet wurden. «Ob regelmäs­sige Infusion oder Spritze oder tägliche Tabletteneinnahme, wir können jeder Patientin und jedem Patienten die Therapie anbieten, die am besten zum persönlichen Lebensstil passt. Dies und natürlich die gute Wirkung und Verträglichkeit der neuen Medikamente bedeuten einen grossen Fortschritt», ergänzt Prof. Kamm. Dass MS einmal vollständig heilbar sein wird, ist bis heute nicht in Sicht. Geforscht wird aktuell auch an der Möglichkeit, die betroffenen Nerven zu reparieren.

Unsere Multiple-Sklerose-Experten

MS Neurozentren Lutterotti 300dpi 01
PD Dr. med. Andreas Lutterotti, Neurozentrum Bellevue Zürich und Klinik für Neurologie Hirslanden.
MS Neurozentren Adam Czaplinski 300dpi 01
Prof. Dr. med. Adam Czaplinski, Neurozentrum Bellevue Zürich und Klinik für Neurologie Hirslanden.
MS Kamm Christian Portrait
Prof. Dr. med. Christian Kamm, Leiter Multiple Sklerose Zen­trum am Neurozentrum des Kantonsspitals Luzern.