Gedächtnisstörungen? Reden Sie darüber!

Frau sitzt am Tisch und löst Kreuzworträtsel fürs Gedächtnis Claudette Giovanoli löst Kreuzworträtsel fürs Gedächtnis.

Es beschäftigt sie, dass sie Namen von Personen, Pflanzen, Orten und Begriffen vergisst. «Es ist noch nicht so dramatisch, aber es beunruhigt mich», sagt Claudette Giovanoli. Die 74-Jährige, die als Volunteer bei Sportanlässen oft unterwegs ist, hat sich eine Strategie zurechtgelegt. «Seit einiger Zeit löse ich Kreuzworträtsel, am liebsten schwierige. Und ich versuche, sie ohne zu mogeln, also ohne elektronische Hilfsmittel zu lösen.» Wenn sie ein paar Buchstaben eines gesuchten Wortes hat, versucht sie die Lücken mit Vokalen von A bis U zu füllen. Klappt das nicht, geht sie das ganze ABC durch. «Ist der zweite Buchstabe ein T, ist der erste möglicherweise ein S. Ist der zweite ein C, fängt der gesuchte Begriff eventuell mit SCH an. «Meine Methode ist anstrengend, gibt mir aber das Gefühl eines intensiven Hirn-Trainings. Die schönste Belohnung ist, wenn ich einen Treffer lande», sagt Claudette Giovanoli.

Bei unserer Umfrage geben mehr als die Hälfte der 3473 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, ihre Fähigkeit, sich neue Dinge zu merken, habe nachgelassen. Die Mehrheit der Befragten, nämlich knapp zwei Drittel, waren zwischen 65 und 85 Jahre alt, 32 Prozent zwischen 46 und 65. An der Umfrage nahmen vorwiegend Frauen, gut 83 Prozent, teil. Bei den Männern waren es 17,5 Prozent, die sich Sorgen um ihr Gedächtnis machten. Knapp ein Fünftel der Befragten gab an, im Alltag durch Gedächtnisstörungen oder Konzentrationsmangel bereits eingeschränkt zu sein.

Rechtzeitig abklären und behandeln

Hinter Vergesslichkeit und Konzentra­tionsschwierigkeiten können viele Ursachen stecken. Von Stress über Schlafmangel, körperlichen Krankheiten, altersbedingtem kognitivem Abbau bis hin zu Nebenwirkungen von Medikamenten. Wichtig ist, die Symptome ernst zu nehmen, sie nicht zu verdrängen, sondern die Ursache so früh wie möglich abzuklären und zu behandeln. Denn schon leichte Beeinträchtigungen von Konzentration, Gedächtnis oder Aufmerksamkeit können das Risiko einer Demenz erhöhen.

Wie können Ärzte oder Fachleute Betroffene unterstützen? Ein Fünftel der Befragten bei unserer Umfrage möchte praktische Ratschläge bekommen, wie sie ihr Gedächtnis verbessern können. Auch Tipps und Übungen sowie Behandlungspläne sind gefragt. Einige wenige würden sich eine langfristige Betreuung und Überwachung wünschen. Dazu Dr. Stefanie Becker, Direktorin Alzheimer Schweiz: «Demenzerkrankungen sind nach wie vor tabuisiert. Darüber zu sprechen hilft, Verständnis zu finden und die Hürde zur Abklärung möglicher Symptome zu überwinden. Das schafft Klarheit und bietet auch die Chance, frühzeitig Hilfe und Unterstützung zu erhalten.»

Positive Lebenseinstellung hilft

Wer über mehrere Monate zunehmende Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen bemerkt, sollte darüber sprechen und einen Arzt aufsuchen. Der Hausarzt oder die Hausärztin ist die ideale Anlaufstelle für ein erstes Gespräch. Ist die Ursache bekannt, ist in vielen Fällen eine Behandlung möglich. Oft helfen schon nicht-medikamentöse Behandlungsmethoden, manchmal ist es aber auch sinnvoll, Medikamente einzusetzen, die zum Beispiel die Durchblutung im Gehirn verbessern können. Claudette Giovanoli nimmt seit einigen Wochen ein Mittel zur besseren Durchblutung. «Ich kann noch nicht viel darüber sagen, aber ich fühle mich gut damit.» Die vife Rentnerin liebt ihren Volunteer-Job mit den verschiedenen Einsätzen im In- und Ausland. «Zu meinen Aufgaben gehören VIP-Betreuung, Athleten zur Dopingkontrolle begleiten, Medaillen verteilen, manchmal auch nur in einem Stadion Platz anweisen.» Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten bezahlt sie selbst. Forscher haben herausgefunden, dass eine positive Lebenseinstellung, ein gesunder Lebensstil und eine gute Ernährung das Gedächtnis im Alter schützen können. Menschen, die enthusiastisch und fröhlich sind, haben das, was Psychologen «einen positiven Affekt» nennen. Dieser kann das Nachlassen der Gedächtnisleistung und das Fortschreiten der Demenzentwicklung im Alter verzögern.

Machen Sie den Gedächtnis-Check

Erfahren Sie jetzt gleich online, wie fit ihr Gedächtnis ist, in diesem 90-Sekunden-Test.

Dr. Stefanie Becker, Direktorin Alzheimer Schweiz

Entscheidend ist, frühzeitig Hilfe zu holen

Gedächtnisstörungen sind ein Risiko­ für Demenz. Dr. Stefanie Becker, ­Direktorin Alzheimer Schweiz, über ein Tabuthema.

Wie wichtig ist es, dass Betroffene über ihre Gedächtnisschwächen sprechen?

Demenzerkrankungen sind nach wie vor tabuisiert. Darüber zu sprechen hilft, Verständnis zu finden und die Hürden zur Abklärung möglicher Symptome zu überwinden. Dies schafft Klarheit und bietet auch die Chance, frühzeitig Hilfe und Unterstützung zu erhalten.

Wann sollte man ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen?

Wenn man sich Sorgen um sein Gedächtnis macht, ist es wichtig, dies möglichst bald abzuklären, da auch andere, gut behandelbare Erkrankungen ursächlich sein können. Eine ärztliche Begleitung ist über den gesamten Verlauf einer Demenzerkrankung wichtig. So können medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungen zeitnah erfolgen und vor allem auch dem jeweiligen Stadium der Krankheit angepasst werden.

Ist eine Behandlung in den meisten Fällen möglich?

Noch gibt es kein heilendes Medikament. Eine Vielzahl von Behandlungen trägt dazu bei, die kognitiven Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten und die Lebensqualität zu fördern. Wichtig ist, sich frühzeitig Hilfe zu holen und die Behandlung individuell zu gestalten. Die 21 Sektionen von Alzheimer Schweiz bieten Beratung und zahlreiche Freizeit- und Entlastungsmöglichkeiten.

www.alz.ch