Krankheiten, die verwechselt werden

Rare Disease AdobeStock 469516347 ronstik Bild: AdobeStock, Urheber: ronstik

Sie sind selten, aber es gibt sie. Und es gibt eine verhältnismässig hohe Dunkelziffer, denn die Symptome von etlichen seltenen Krankheiten passen auch zu ganz normalen, häufigen. Arzt und Patient sollten aufhorchen, wenn keine der bisherigen Therapien angeschlagen hat. Es könnte Morbus Fabry, Morbus Gaucher oder Morbus Pompe sein. Sie gehören zur Klasse der rund 50 bekannten lysosomalen Speicherkrankheiten. Betroffenen fehlt ein ganz bestimmtes Enzym, das gewisse Stoffe im Körper abbaut.

Ohne Diagnose keine Therapie

Der Mangel lässt sich in allen drei Fällen medikamentös beheben, doch dazu braucht es eine klare und frühzeitige Diagnose. Zuerst muss der Arzt auf die Idee kommen, dass es eine dieser seltenen Krankheiten sein könnte, selbst wenn er noch nie in seiner Karriere eine solche gesehen oder diagnostiziert hat. Bei Verdacht bringt ein Bluttest Licht ins Dunkel und Erlösung für die Hilfesuchenden.

ProRaris hilft 

Dr. Jacqueline de Sá ist Geschäftsführerin von ProRaris. Ihr Verein macht sich für die bessere Versorgung von Menschen mit seltenen Krankheiten stark. «Zahlreiche Betroffene haben eine Odyssee hinter sich. Über viele Jahre wurden unterschiedliche Diagnosen gestellt, Behandlungen probiert – ohne Erfolg. Dass solche Patienten frustriert sind, das Vertrauen in die Medizin verloren haben und mit der Zeit zu schwierigen Patienten werden, ist nur normal. Irgendwann werden sie als Psychofälle abgetan, weil die Ärzte mit ihrem Latein am Ende sind. Oft führen Zufallsbefunde oder Eigenrecherchen zur richtigen Diagnose. Wir von ProRaris helfen mit, damit Betroffene so schnell wie möglich auf den richtigen Weg kommen.»

Schwere Organschäden

Wodurch fallen Menschen auf, die noch ohne Diagnose sind, aber an Morbus Fabry, Morbus Gaucher oder Morbus Pompe erkrankt sind? Gibt es Gemeinsamkeiten? «Alle Betroffenen sind irgendwie ein bisschen krank, aber nicht etwa bettlägerig», sagt Jacqueline de Sá. «Die falschen Therapien lindern zwar manchmal das eine oder andere Symptom, machen aber nicht gesund. Derweil schreiten die Krankheiten voran und verursachen mit der Zeit schwere Organschäden.»

Wer rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird, hat die Chance auf eine bessere Lebensqualität und im besten Fall eine normale Lebenserwartung. «Man muss sich bewusst sein, dass die Krankheiten weder geheilt noch gestoppt werden können. Man kann aber ihr Fortschreiten bremsen und die Symptome deutlich mildern», sagt Jacqueline de Sá.

Morbus Gaucher

Betroffene haben undefinierbare Schmerzen in den Gelenken und in den Knochen. Bei Morbus Gaucher kann der Körper den zuckerhaltigen Fettstoff Glukozerebrosid nicht in seine Bestandteile aufspalten. Er lagert sich vor allem in den Zellen der Milz, der Leber und der Knochen ab. Die Zellen und mit ihnen die Organe schwellen an. Es kommt zu Funktionsstörungen und einer Vielzahl von Symptomen. Typisch sind ein vorgewölbter Bauch, Blässe, blaue Flecken, häufiges Nasenbluten und Knochenschmerzen. Zusätzlich führen Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit, Leistungsminderung und Infektanfälligkeit zu einer deutlich reduzierten Lebensqualität.

Morbus Fabry

Bei Menschen mit Morbus Fabry kann der Körper bestimmte Lipide nicht abbauen. Sie reichern sich in den Zellen an, was zu Schäden in vielen Körpergeweben und Organen führt. Die Symptome bei Morbus Fabry sind sehr unterschiedlich und unspezifisch wie beispielsweise chronische Müdigkeit. Typisch für die Fabry-Krankheit sind Brennschmerzen und Kribbeln in Händen und Füssen. Sie dauern von wenigen Minuten bis zu einigen Tagen und werden durch körperliche Anstrengung, Fieber und Stress ausgelöst oder verschlimmert. Ebenfalls typisch sind die Unfähigkeit zu schwitzen, Durchfälle, dunkelrote bis blaubräunliche Hautflecken, die auf Höhe Bauchnabel bis Knie, aber vor allem in der Schamgegend auftreten. Besonders häufig erkranken die Nieren. Es drohen Dialyse und Transplantation, sofern keine Behandlung stattfindet. Wenn man Eiweiss im Urin hat und mit den bisherigen Therapien keine Erfolge erzielt hat, sollte man an den Fabry-Test denken. Selbst eine Verdickung des Herzmuskels passt zu Fabry. Betroffene klagen über Atemnot bei Anstrengung. Sie haben ein hohes Risiko für Angina pectoris, Herzinfarkt oder – bereits in jungen Jahren – Schlaganfall.

Morbus Pompe

Morbus Pompe ist eine seltene, angeborene Muskelerkrankung, die zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen und irreversiblen Schäden an den Muskeln führen kann. Verursacht wird Morbus Pompe durch einen genetischen Defekt eines Enzyms, das bei gesunden Menschen für den Abbau von Glykogen verantwortlich ist. Die Folge ist eine zunehmende Einlagerung von Glykogen besonders in den Muskelzellen, was bei Betroffenen aller Altersgruppen zu einer fortschreitenden Muskelschwäche führen und die Bewegung, die Atmung und bei Säuglingen auch die Herzfunktion beeinträchtigen kann. «Morbus Pompe ist die Krankheit, bei der man müde ist. Kinder, die sich schon früh beim Treppensteigen am Geländer hochziehen, selbst nur schwer aus der Hocke aufstehen oder kaum die Arme über die Höhe des Kopfes halten können, sollten abgeklärt werden», rät Jacqueline de Sá. Auch, wenn ein Kind im Liegen Probleme beim Atmen hat, kann es Morbus Pompe sein. Obwohl der genetische Defekt von Geburt an besteht, können erste Symptome zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten. Akut lebensbedrohend ist die frühkindliche Form, die bereits bei Geburt schwere Symptome zeigt. In der späten Verlaufsform können Symptome jederzeit zwischen der Kindheit und dem späten Erwachsenenalter auftreten. Die späte Form schreitet meist langsamer voran und kann individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Hier bekommen Sie Unterstützung

Kommt Ihnen das eine oder andere Symptom bekannt vor? Leiden Sie seit Jahren, doch keine Therapie hat so richtig geholfen? Dann sprechen Sie Ihren Arzt auf die Möglichkeit einer seltenen Krankheit an oder melden Sie sich direkt beim Verein ProRaris. ProRaris ist die Allianz der Schweizer Organisationen von Menschen mit seltenen Krankheiten. ProRaris arbeitet eng mit den Patientenorganisationen und mit Patientinnen und Patienten ohne eigene Organisationen zusammen und vertritt ihre Anliegen. Die Allianz ist gemeinnützig und finanziert ihre Arbeit durch Spenden.

Seltene Krankheiten ProRaris J de Sa
Dr. Jacqueline de Sà, Geschäftsführerin

www.proraris.ch