Er fällt nicht einfach vom Himmel

Adventsserie Teil 2

«Die Engel verkünden den Frieden auf Erden, doch es wird je länger desto schlimmer.» Schwester Zita, Generaloberin des Klosters Baldegg, guckt nachdenklich. Was läuft da falsch? «Ich habe einmal ein Volkstheaterstück gesehen, in dem ein Mann Zeitung las. Seine Frau fragte, was geschrieben steht, und meinte ohne die Antwort abzuwarten: ‘Wahrscheinlich ist wieder überall Krieg und Unfrieden.’ Worauf der Mann sagte: ‘Wie soll es im Grossen funktionieren, wenn es schon im Kleinen nicht klappt?’ Dieser Satz ist mir geblieben und in diesem Satz steckt so viel Wahrheit. Er bedeutet nichts anderes, als dass jeder für sich selbst Frieden schaffen muss.» Auch Schwester Nadja ist überzeugt, dass der Frieden nicht einfach vom Himmel fällt: «Man darf wohl im Gebet darum bitten, dass es einem gelingt, Frieden zu stiften. Aber man kann diese Aufgabe nicht an jemand anderen delegieren. Selbst der Weltfrieden beginnt am kleinstmöglichen Ort, nämlich bei jedem Einzelnen selbst.»

Hat Frieden mit Zufriedenheit zu tun? Schwester Zita: «Oh ja.  Wer mit sich und der Welt zufrieden ist, strahlt innere Ruhe und Gelassenheit aus. Unzufriedenen Leuten fehlt es oft an innerem Frieden. Würden sie sich mit ihrer eigenen Situation versöhnen, entstünde weniger schnell Streit. Vielleicht ärgern sie sich nur darum über andere, weil sie mit sich selber nicht im Reinen sind. Wer hingegen Frieden mit sich geschlossen hat, kann sogar Gräben überwinden, die er gar nicht aufgetan hat. Er kann Streit verhindern, kann andere beruhigen und auch dann die Wogen glätten, wenn es um Unrecht geht, das ihm von anderen angetan wird. Frieden hat aus dieser Sicht sehr viel mit Verzeihen zu tun. Wer verzeihen kann, macht einen wichtigen Schritt zur Versöhnung. Und wer sich mit seinem Gegenüber versöhnt, stiftet Frieden.»

Frieden auf Erden wünschen sich die Menschen besonders an Weihnachten. Friede auf Erden wird in so manchem Weihnachtslied besungen, und manchmal nützt es sogar. Schwester Nadja: «Wer den inneren Frieden hat, ist ein freier Mensch. Inneren Frieden findet man über Dankbarkeit. Menschen, die dankbar sind für das, was ist, entwickeln Harmonie und Zufriedenheit. Dann, wenn sie unnötigen Ballast abgeworfen haben und sich auf die wahren Werte fokussieren. Das braucht Ruhe und Besinnung. Nach und nach kommen sie ihrem Ziel näher. Nicht von einer Sekunde zur nächsten. Es ist ein langsames Werden.»

Wofür soll man denn dankbar sein? Schwester Zita: «Man darf dankbar sein für seine Talente, seine Fähigkeiten und seine Schönheit. Dankbar für das, was man ist. Man darf zufrieden sein mit seiner Herkunft, seiner Bildung und seiner Situation. Auch, wenn nicht alles so perfekt läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Selbst ein kranker Mensch kann dankbar und zufrieden sein, denn Zufriedenheit hat mit Selbsterkenntnis zu tun. Niemand muss sich mit anderen vergleichen und liebäugeln mit dem, was er nicht hat. Jeder hat sein eigenes Leben – und nur dieses muss er verantworten. Wenn jeder bei sich anfängt, ist der Frieden nicht verloren.»

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