Bitte keine Schnellschüsse

Prostata 2

Chef-Urologe Prof. Franz Recker vom Kantonsspital Aarau weiss: Nicht jede Prostata-Operation ist wirklich sinnvoll.

Überbehandlung nennt sich das Phänomen, wenn zu viel operiert wird, und es zeigt sich auch beim Prostatakarzinom. Prof. Franz Recker: «Nicht jedes früh erkannte Prostatakarzinom muss behandelt, aber das behandlungswürdige muss früh entdeckt werden.» Damit ist alles gesagt, aber das Problem noch nicht ganz gelöst. Die Frage bleibt: Wann ist ein Karzinom behandlungswürdig und wann nicht? Der Urologie-Experte: «30 Prozent aller Männer mit Prostatakarzinom werden im Kantonsspital Aarau nicht behandelt, weil die Krankheit nicht relevant ist.» Das bedeutet, dass diese Männer zwar Träger eines Karzinoms sind, das aber nicht wächst und keine Beschwerden macht. Es muss nur regelmässig beobachtet werden. Meist genügt die jährliche Kontrolle. «Wir betreuen bei uns 350 solcher Patienten, die nicht operiert werden müssen.»

Wann sollen sich Männer mit dem Thema Prostata beschäftigen? «Ab einem Alter von 45 bis 50 Jahren. Aber sie sollen erst den PSA-Wert bestimmen lassen, wenn sie über den Nutzen und auch die möglichen Nebenwirkungen informiert sind. Sie dürfen sich nicht verrückt machen lassen. Wer zum Beispiel mit 50 einen PSA-Wert von weniger als 1 hat, braucht sich in den kommenden sechs bis acht Jahren keine Sorgen zu machen. Das ist mehr als die Hälfte der Schweizer Männer.» Prof. Franz Recker votiert für einen unaufgeregten Umgang mit dem PSA. Der Wert zeigt die Menge des prostataspezifischen Antigens, das bei Prostatakrebs erhöht ist. Das PSA erhöht sich allerdings auch bei normal vergrösserter Prostata sowie bei akuter oder chronischer Entzündung der Prostata oder 24 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr. Kommt hinzu: Da ein Prostatakarzinom meist sehr langsam wächst, ist eine Bestimmung des PSA-Wertes nur dann nötig, wenn der betreffende Mann noch eine Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren hat. Was sind mögliche Probleme nach einem Eingriff? Prof. Recker: «Mit 20- bis 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit leidet die Potenz. Dazu können in ganz seltenen Fällen eine Inkontinenz und unangenehme Folgen der  Bestrahlung kommen. Die Inkontinenz lässt sich aber behandeln.»

Prof. Franz Recker will die Bedeutung des PSA-Wertes nicht herunterspielen. Die Bestimmung des totalen PSA ist nach wie vor die beste und günstigste aller Möglichkeiten zur frühzeitigen Erkennung eines Prostatakarzinoms. |

Wer soll messen lassen?

Gemäss Statistik ist das Prostatakarzinom die zweithäufigste Krebstodesursache des Mannes. Dennoch: 30 Prozent aller Männer ab 60 haben im Prostatagewebe Krebszellen, die nicht relevant sind und in Ruhe vor sich hin schlummern. Fünf Prozent erkranken an Prostatakrebs, ohne aber daran zu sterben. Nur vier bis fünf Prozent sterben daran. Wer also muss wachsam sein? Prof. Recker: «Wir messen den PSA-Wert eines Mannes, wenn er einerseits älter als 45 Jahre ist und sein Vater oder Bruder einen Prostatakrebs hat, wenn andererseits ein verdächtiger Tast-Befund erhoben wurde, wenn der Mann unter Knochenschmerzen leidet, wenn Blut im Ejakulat vorhanden ist oder wenn der aufgeklärte Mann von 50 bis 70 Jahren eine Bestimmung wünscht.» Die Männer müssen sich im Klaren sein, dass ein erhöhter PSA-Wert zwar ein Hinweis auf ein Karzinom sein kann, nicht aber sein muss. Ein Prostatakrebs kann letztlich nur mit einer Gewebeentnahme nachgewiesen werden. «Die Kunst besteht darin, nur jene zu behandeln, die es wirklich nötig haben, und jene in Ruhe zu lassen, die nur unter den Nebenwirkungen einer Operation leiden würden, nicht aber unter dem Karzinom.»

SchnellschüsseStellen Sie Ihre Fragen direkt an: Prof. Franz Recker, Chefarzt Urologische Klinik, Kantonsspital Aarau, 5000 Aarau, Telefon 062 838 47 34, [email protected]