Corona – die Epidemiologen-Schelte hat mir aus dem Herzen gesprochen

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Der Artikel «Covid-19 – der grosse Fehler der Herren Salathé, Althaus, Ackermann und Co.» hat mir sehr aus dem Herzen gesprochen. Ich kann mich mit dem ganzen Text einverstanden erklären. Dazu absolut passend ist in den Medien ein Interview mit Altbundesrat Moritz Leuenberger erschienen. Auf die Frage «Wie gut hat sich der Bundesrat in der Corona-Krise geschlagen?» antwortet er: «Ich bin doch nicht der Oberlehrer, der Noten verteilt! Es gibt schon genug Epidemiologen, Virologen. Philosophen, Schriftsteller, die ihre persönliche, aber nicht immer so fundierte Meinung herumposaunen, nur weil man ihren Namen kennt. In diesem Konzert muss ich jetzt nicht auch noch mitsingen.»

Was mich bereits seit Beginn der Corona-Pandemie stört, ist der Hang einiger Experten, welche in der Corona-Beratergruppe des Bundesrates Einsitz haben, ihre höchstpersönlichen Denkmuster urbi et orbi bekanntgeben zu müssen. Zurückhaltung täte gut, denn die verantwortungsvolle Beraterfunktion erfordert meines Erachtens ein Mindestmass an Solidarität mit der Institution, für die man tätig ist.

Eine Massnahme vom Frühjahr, das Isolieren der Pflegeheim-Bewohner, welche sich als nicht so positiv wie erhofft herausgestellt hat, sollte uns aus der Rückschau eine Lehre sein: nicht nur epidemiologische Aspekte sind zu beachten. Denn sonst müssten wir auf Autobahnen sofort Tempo 50 einführen.

Die allzu oft veröffentlichten persönlichen Meinungen verunsichern. Ich behaupte, dass sich diese Leute nicht bewusst sind, wie sehr sie zur Verunsicherung der Bevölkerung beitragen und, was wohl noch viel schlechter ist, damit Corona-Skeptiker generieren.

Als Arzt werde ich häufig nach meiner Beurteilung gerade von Massnahmen der Kantonsregierung und des Bundesrates gefragt. Meine Antwort ist immer dieselbe: «Mach bitte, was vorgeschrieben ist. Und ich sage Dir in einem halben Jahr, ob die Massnahme richtig war.»

Ich bin ja auch kein Liebhaber von Gesichtsmasken und ich bedaure es, dass in den beiden Chören, in welchen ich mitsinge, ein totaler Lockdown herrscht und dass meine Skatkollegen im Moment nicht mehr zum Mittwochskat kommen können. Aber ich beuge mich den Autoritäten. Sie haben Berater aus allen verschiedenen Fachrichtungen und sind bestrebt, in dieser Phase des Wenigwissens und der Unsicherheiten das Beste anzuordnen. Alle sind gefordert, sowohl für sich aber genauso auch für die Allgemeinheit zu handeln. Und wo das persönliche Nichtwissen bzw. die Ungewissheit nagt, sich nicht irrationalen Deutungen hinzugeben.

 

Dr. Jürg Zollikofer