Das Geschenk Sehnsucht

Sehnsucht eyepin

Das Gefühl der Sehnsucht könnten wir so beschreiben: „Ich verzehre mich nach etwas. Ich fühle einen inneren Riss. Es wirft mich aus der Bahn. Ich vermisse, leide, begehre, mal hoffnungsvoll, mal verbittert. Die Sehnsucht fühlt sich mal süss, betörend, dann wieder brennend, nagend an, je nachdem, ob wir glücklich, verliebt, krank und traurig sind. Dann wiederum sehnen wir uns nach innerem Gleichgewicht. Wir sehnen uns – ständig. Das ist unsere Natur. Wir sehnen uns nach Gesundheit, Liebe, Geborgenheit, Sicherheit, Erfolg, Bestätigung, Ruhe im Herzen – nach der Vollkommenheit in uns.

Bringt uns die Sehnsucht Unheil? Ist sie immer zerrende Qual oder könnte sie uns helfen? Welche Bedeutung hat es, wenn wir uns sehnen? Was können wir tun in diesem Durch-einander?

Sehnsüchtig sein ist ein mächtiges Gefühl, dem wir ausgeliefert zu sein scheinen, besonders in einer schweren Situation. Das Gefühl der Sehnsucht, den uns vollkommen erscheinenden Idealzustand wiederherstellen zu wollen, wirkt bedrohlich. Es ist durchaus menschlich, wenn wir uns in einer schweren Situation verzweifelt fühlen – und doch – da ist eine gewisse Energie in diesem sehnsüchtigen Gefühl, die sehr mächtig ist – mit anderen Worten – Sehnsucht hat Kraft, Vitalität, Potential, ist mutig, stark, beharrlich. Auch wenn die Sehnsucht wie ein unheilverheissendes Monster den Rachen aufreisst, um uns zu verschlingen, merken wir, wie gewaltig ihre Energie ist. Energien kann man lenken, umleiten, umpolen. Eine Chance ? Denn sind wir nicht mehr „sehnsüchtig“, dann sind wir innerlich erloschen.

Gefühle beobachten

Ich denke, es ist wichtig, sich selbst und seine sehnsüchtigen Gefühle bewusst zu beobachten, und sich zu fragen: Was steckt dahinter? Was sagt uns das? Verlieren wir durch die sehnsüchtigen, scheinbar entgleisten Gefühle unseren Halt – oder könnte es sein, dass in der Sehnsucht eine Chance steckt? Chance wozu?

Die Impulse der Sehnsucht sind intensiv. Die Gefahr besteht, dass wir uns in Alkohol ertränken, mit Drogen zudröhnen, uns in Tabletten- und Esssucht stürzen, Zucker in uns schütten, um uns einzubilden, das Leben würde dadurch süsser. Ein Trugschluss auf Zeit.

Neuorientierung

Wir können uns aber auch dazu entscheiden, die Zeichen der Sehnsucht als Chance zu nutzen, uns neu zu orientieren. Auch wenn wir uns in einer schweren Situation unfrei fühlen – gewisse Freiheiten bleiben immer, wir könnten sie neu entdecken.

Ist es wirklich wichtig, diese Vollkommenheit zu erreichen, die wir immer suchen? Wir könnten doch auch „unvollkommen“ glücklich sein. Wäre das so schlimm?

Sehnsüchtige Gefühle führen uns auf unserem subjektiven Lebensweg. Sie zeigen uns immer wieder: Dahin willst du. Das zieht dich an. Das gefällt dir. Das beglückt dich. Dort sind Deine Grenzen, Deine Fähigkeiten. Was ist Dir noch wichtig in Deiner Situation? Welche neuen Möglichkeiten kristallisieren sich auf Deinem Weg heraus? Wo könnten Deine neuen Prioritäten liegen?

Neue Chancen

So können wir sehnsüchtige Gefühle als Chance nutzen. Sehnsucht kann uns als Wegweiser zu unserem Wohl dienen, wenn wir uns in diesem Chaos nicht gehen lassen. Sie kann uns auf unsere wirklichen Bedürfnisse, Hoffnungen, Wünsche aufmerksam machen. Sie zeigt uns unsere Leidens- und Liebesfähigkeit, unseren Charakter. Die durch Freud und Leid beobachteten sehnsüchtigen Gefühle können uns zu einer neuen Wahl führen – der Wahl zum Optimismus, zur Hoffnung auf neues Lebensglück, zu einem neuen Ich – zur Freiheit der Unvollkommenheit, zu neuen Chancen. Es ist nicht immer einfach, aber möglich.

Das Buch von Monika Maderski: Über das Geschenk Sehnsucht, ISBN 978-3-8316-1648-0

Erhältlich bei der Autorin: [email protected].