Dr. Roman Schmid, Apotheker Bellevue-Apotheke, Zürich, über Halsschmerzen und was man dagegen macht.
Dr. Schmid, warum leiden so viele Menschen an Halsschmerzen? Ist der Hals ein Schwachpunkt im Organismus?
Mund und Rachen sind exponierte Stellen und in direktem Kontakt mit der Luft und der Nahrung. Immer im Herbst beginnt die Zeit der Halsschmerzen. Die Schleimhäute sind oft ausgetrocknet und so anfällig für einen viralen oder bakteriellen Infekt. Eine intakte Schleimhaut ist aber wichtig zur Abwehr von Viren und Bakterien.
Der Apotheker ist meist die erste Anlaufstelle für Halsschmerzen. Ist das gut oder wird der Infekt dadurch nicht verschleppt?
Es ist richtig: Der Apotheker sollte die erste Anlaufstelle für «Bagatellfälle» sein. Erstens ist er ohne Termin erreichbar und für diese Fälle bestens ausgebildet. Zweitens hat er ein breites medizinisches Wissen und kann die in der Apotheke erforderliche Triage-Funktion bestens wahrnehmen. Der Kunde kann sicher sein, dass ihn der Apotheker – falls er etwas Schwerwiegendes feststellt – sofort zum Arzt weiterleitet.
Wissen die Kunden, was ihnen fehlt, wenn sie mit Halsschmerzen in die Apotheke kommen?
Einige Kunden haben schon Erfahrung mit Halsschmerzen und verlangen ein Präparat, das sie mit Erfolg beim letzten Mal eingesetzt haben. Andere wollen sich beraten lassen. Da wir auch ein grosses Sortiment an komplementärmedizinischen Produkten führen, fragen viele Kunden nach solch einem «natürlichen» Produkt. Oft sind die Halsschmerzen aber nur eines von mehreren Grippesymptomen. In solchen Fällen sind unser Wissen und unsere Erfahrung gefragt, damit der Kunde die optimale Wirkstoffzusammensetzung bekommt.
Wie bekommt man die schmerzhafte Entzündung am besten in den Griff?
Geeignet sind Schmerz- und Entzündungsmittel vom Typ Ibuprofen. Es gibt Halsschmerztabletten, die ein solches Schmerz- und Entzündungsmittel enthalten.
Bei anderen Halsschmerzmitteln hat es zum Teil Antibiotika drin. Wie halten Sie den Kunden von falschem Antibiotika-Gebrauch ab?
Nur wenige Kunden wissen um die Problematik von Antibiotika in Bagatellfällen. Den meisten ist nicht bekannt, dass im verlangten Halsschmerz-Präparat auch Antibiotika enthalten sind und sie wissen auch nicht, dass Antibiotika bei Halsschmerzen meist nicht nötig sind. Hier helfen unser Wissen und unsere Beratung.
Und wenn jemand direkt nach einem Antibiotikum zum Einnehmen fragt, weil es beim letzten Mal geholfen hat?
Dann beginnt unsere Aufklärung. Antibiotika zum Einnehmen bekommt man sowieso nur auf Rezept. Ich stelle fest, dass Kunden, die aus Mittel- und Nordeuropa stammen, über den korrekten Einsatz solcher Antibiotika besser aufgeklärt sind. Unsere Kunden mit Herkunft aus südlichen Ländern verlangen oft Antibiotika für ihre «Halsschmerzen». Sie kennen dies aus ihrer Heimat, weil dort auch von den Ärzten und Apothekern viel zu schnell nach einem Antibiotikum gegriffen wird.
Wie können Sie als Apotheker zwischen viral und bakteriell unterscheiden, wenn Sie den Kunden nur sehen?
Kann ich nicht. Aber meist sind es virale Infekte: Was häufig ist, ist eben häufig.
Bei welchen Alarmsignalen schicken Sie den Kunden dennoch zum Arzt?
Wenn zum Beispiel im Rachenraum schon Eiterherde zu sehen sind, bei chronischem Husten zu einer atypischen Zeit wie zum Beispiel im Sommer oder wenn Kinder unter Atemnot leiden.
Warum sind einige Menschen anfälliger auf Halsschmerzen als andere?
Nicht nur die relativ trockene Heizungsluft im Herbst und Winter spielt eine Rolle, auch der Gesamtzustand des Patienten ist entscheidend. Und dann kommt es drauf an, ob jemand für Halsschmerzen aus genetischer Sicht anfällig ist. Eine «individuelle Anfälligkeit» ist nicht von der Hand zu weisen. Das höre ich sehr oft von unseren Kunden.
Was sollten diese Menschen tun gegen Erkältungen?
Wichtig sind eine ausgewogene Ernährung, regelmässige Bewegung, sich genügend Schlaf gönnen und Dauerstress vermeiden. Luftbefeuchter daheim oder im Büro können auch helfen. Zur Prophylaxe dienen sogenannte Immunstimulatoren oder Immunmodulatoren.
Gibt es ein Geheimrezept gegen Halsschmerzen?
Geheimrezepte gibt es nicht, aber bewährte Hausmittel. Salbeitee zum Gurgeln zum Beispiel wirkt entzündungshemmend und desinfizierend. Zitronenwickel bewähren sich bei Husten, Halsschmerzen und entzündetem Rachen. Ein Esslöffel Zitronensaft und eine grosse Tasse Wasser – egal, ob warm oder kühl – mischen und ein dünnes Tuch darin eintauchen. Das Tuch auswringen und um den Hals legen, den Nacken aussparen, mit einem Schal umwickeln und etwa 30 Minuten wirken lassen.
Wie schützt sich das Apothekenteam vor Ansteckung durch niesende und hustende Kunden?
Oft die Hände waschen und desinfizieren. Nur schon durch das Berühren von Geld kommt man mit dem «Niesgut» in Kontakt, und wenn man dann noch mit den Händen die Schleimhäute an Mund, Nase und Augen berührt, ist es schon passiert. Wir nehmen auch Immunstimulatoren oder Immunmodulatoren zum Vorbeugen.
Kann man Erkältungen wie Halsschmerzen tatsächlich medikamentös verkürzen oder nur lindern?
In erster Linie werden die Symptome gelindert, dies ist ja für den Patienten das Wichtigste. Wenn die Symptome relativ früh bekämpft werden, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Halsschmerzen schnell verschwinden. Je länger man zuwartet, desto schwieriger wird es.