Schluss mit Stress – das richtige soziale Netzwerk

Stress Teil 1 Quelle: fotolia.de, Urheber deagreez

Alle reden vom Stress. Wir von der Resilienz, wie die psychische Widerstandsfähigkeit im Fachjargon genannt wird. Die neun Faktoren für mehr Resilienz beinhalten das Wort „richtig“. Damit ist Korrektheit, aber auch Optimum, Balance und Vollkommenheit gemeint. Die Faktoren sind keine Gebrauchsanweisung, sondern dienen als Anregungen zur kreativen, widerstandsfähigen und nachhaltigen Lebensgestaltung. „Pfad“ meint hier nicht das Fortschreiten von Stufe zu Stufe. Alle Faktoren sind gleichwertig und sollten jederzeit beachtet werden.

Digitalisierung erschwert menschliche Kontakte

Soziale Unterstützung ist eine der wichtigsten Resilienz-Faktoren. Allerdings ist der Begriff «soziale Unterstützung», der in der Forschung verwendet wird, nicht ganz korrekt. So ist zum Beispiel sichtbare, offizielle Unterstützung durch den Staat viel weniger wirksam als unsichtbare, nicht abgesprochene Unterstützung durch Freunde, Bekannte und Nachbarn, die Sicherheit vermitteln. Der Begriff «soziale Integration» trifft die Sache besser.

Facebook, Twitter, LinkedIn – soziale Netzwerke werden immer grösser und kennen keine geographischen Grenzen. Ökonomen und Soziologen loben die unbegrenzten „weak ties“, also schwache Bindungen, die unkompliziert, schnell und digital über weite Distanzen möglich sind. Solche Beziehungen helfen uns, Informationen auszutauschen und Dinge mit Leuten zu besprechen, die wir im realen Leben kaum treffen würden. „Weak ties“ verbinden politische Gruppen, Firmen und Menschen mit einem bestimmten Hobby. Der Staat und Firmen sind daran, viele direkte Beziehungen zu digitalisieren und damit effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Früher hat der Postbote das AHV-Geld den älteren Menschen direkt in die Hand bezahlt. Heute merkt man kaum, wenn eine solch wichtige Interaktion mit dem Staat stattfindet.

Echte Beziehungen gegen Stress

Ist die digitale soziale Integration wirksam gegen Stress? Die Resilienz-Forschung zeigt, dass diese schwachen, digitalen Beziehungen keine Stress-Puffer sind und die soziale Unterstützung nicht ersetzen. Selbst „strong ties“, also regelmässige und intensive Beziehungen, stärken die Resilienz nur dann, wenn ein direkter, lokaler Kontakt möglich ist. Bürokollegen, Nachbarn und Freunde, die in der Nähe wohnen, spielen dabei die entscheidende Rolle. Digitalisierung ersetzt direkten Kontakt oft mit mehr Kontrolle, zum Beispiel durch Einsicht in den persönlichen Kalender, was die Resilienz zusätzlich schwächt.

Die grosse Bedeutung des sozialen Netzwerks hat mit unserem Bindungsbedürfnis zu tun. Wird dieses über längere Zeit nicht befriedigt, entstehen körperliche und psychische Beschwerden. Unser Bindungsbedürfnis erschöpft sich aber auch relativ schnell. Nach ein paar Stunden Quartiervereinsfest haben wir meistens genug und widmen uns wieder persönlichen Interessen und der Selbstverwirklichung.

Zeit mit Menschen verbringen

Digitale Beziehungen schaffen ein neues Problem: Aktivität in den sozialen Medien erschöpft das Beziehungsbedürfnis, ohne einen Beitrag zur lokalen sozialen Integration zu leisten. Deshalb sind Menschen, die viel Zeit mit sozialen Medien verbringen, schlecht gegen Stress gewappnet.

Die Energie, die wir in digitale Beziehungen investieren, fehlt für Investitionen in lokale, konkrete Beziehungen. Dies ist ein entscheidender Treiber der aktuellen Resilienz-Krise, denn Resilienz ist ein lokales Phänomen. Es lohnt sich also, in direkte Kontakte zu Menschen zu investieren, die in unserer Nähe leben, arbeiten und wohnen.

Tipp: Erhöhen Sie die Zeit, die Sie mit Menschen verbringen, welche in Ihrer Nähe wohnen, mit denen ein gegenseitiger Austausch möglich ist.

Depression Gregor Hasler 62
Prof. Dr. med. Gregor Hasler von der Universität Freiburg