«Ein schön Kochbuch 1559»

Aufmacherbild Kochbuch

Das aus der bischöflichen Küche von Chur stammende handschriftliche Kochbuch wurde erst Anfang 2015 auf dem Estrich eines Privathauses entdeckt und wäre beinahe zusammen mit anderen alten Büchern entsorgt worden. Inzwischen ist es aber entziffert, transkribiert und in modernes Deutsch übersetzt und unter dem Titel «Ein schön Kochbuch 1559» im Verlag Desertina publiziert worden.  Das Kochbuch gibt einen interessanten Einblick in die Ess- und Trinkgewohnheiten in gehobenen Kreisen der Ostschweiz vor mehr als 400 Jahren.

Über 80 verschiedene Gewürze

Die Ausgewogenheit der Ernährung war schon damals ein wichtiges Anliegen. Dazu kamen die Fastenvorschriften für Freitage und für die vorösterlichen Fastenzeiten. Früh­stück, Mittagessen und Abendessen wurden mindestens eine Stunde früher als heute üblich eingenommen, weil die künstliche Beleuchtung schwierig und teuer war. Hauptmahl­zeit war das Mittagessen etwa um 11 Uhr. Da die Kartoffeln erst um 1770 in der Schweiz Verbreitung fanden, treten sie in den frühneuzeitlichen Rezepten nicht auf. Auch Mais ist nicht zu finden, und Reis war eine teure Spezialität. Umso wichtiger waren Getreide, Mus und Brot. Eine grosse Bedeutung hatten Früchte, allen voran die Quitten. Erstaunlich ist die Vielzahl an Gewürzen. Wir stossen auf über achtzig verschiedene Zutaten, meist Gartenkräuter, aber auch teure exotische Gewürze.

Rezepte gegen Krankheiten

Das Kochbuch enthält auch zahlreiche Anleitungen zur Herstellung von Getränken, Fruchtsäften und Latwergen für spezifische Krankheiten. Über ein Dutzend Rezepte betreffen Magenbrennen, Blähungen und Verdauungsprobleme, andere werden bei Kopfweh, Husten, Erkältungen, Fieber, Brust­schmerzen, Atem- und Herzbeschwerden empfohlen. Gewisse Säfte sind schleimlösend oder harntreibend. Wir stossen sogar auf zwei pharmazeuti­sche Rezepturen mit genauen Mengenangaben, allerdings in heute nicht mehr gebräuchlichen Masseinheiten. Natürlich gibt es auch Rezepte zur allgemeinen Stärkung, insbesondere auch «für alte Leute von kalter und schwächlicher Natur». Bei einem Rezept für Meerzwiebel-Essig steht am Schluss: «In summa, es ist eine auserwählte, teure, heilsame und gesunde Arznei zur Erhaltung der menschlichen Gesundheit».

Das Kochbuch können Sie hier für 45 Franken kaufen.

 

Ein schön Kochbuch 1559 – das älteste deutschsprachige Kochbuch der Schweiz

515 historische Rezepte zum Nachkochen: Das älteste bekannte Kochbuch der Deutschschweiz ist in einem zeitgenössischen Deutsch publiziert worden.

Gebunden, 488 Seiten
ISBN 978-3-85637-502-7

 

 

 

 

Rezept aus dem Original-Kochbuch aus dem 16. Jahrhundert

Guter Koch und Schreiber

Der Autor Walter Letsch (*1946) studierte zunächst Physik an der ETH und schloss mit dem Diplom ab. Nach der ­Pensionierung absolvierte er ein Zweitstudium in Geschichte und Soziologie an der Universität Zürich und promovierte mit einer Arbeit zur Historischen Demografie. Drei Jahre war Walter Letsch mit der Übersetzung der insgesamt 155 noch vorhandenen Blätter beschäftigt. Ursprünglich waren es 177. Zwischen den Buchdeckeln aus Pergament stecken über 500 Rezepte. Die Sichtung des Materials ergab ausserdem, dass das Kochbuch von mindestens fünf Schreibern verfasst wurde. Dabei stellte sich heraus, dass sehr oft die fürs Bündnerland typischen Endungen mit a benutzt, wie zum Beispiel in Supa und Schüssla. Gemäss Hans-Peter Schifferle, dem Chefredaktor des Idiotikons, stammt vor allem der letzte Schreiber, der über 400 Rezepte verfasst hat, eindeutig aus dem Bündnerland. «Er war ein guter Koch und ein guter Schreiber.»

Walter Letsch, Verlag Desertina