EMS – mit Stromschlägen zum Sixpack?

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In Fitness-Zentren zwängen sich Leute in hautenge, elektrische Anzüge. Physiotherapie geht heute auch zu Hause mit Elektroden am Körper. In beiden Fällen soll Elektrizität die Muskeln reizen, um das Training zu intensivieren. Doch nur in einem Fall ist das für Untrainierte und Hobbysportler auch sinnvoll.

Nicht bei Null anfangen

Das Gehirn steuert Bewegungen mit elektrischen Impulsen. Auf die Entscheidung, beispielsweise das Bein zu strecken, folgen Signale an die Muskeln im Oberschenkel, welche sich dann entspannen oder zusammenziehen. EMS ahmt diesen Vorgang nach, indem ein Gerät anstelle des Gehirns die elektrischen Signale sendet.

“Wir setzen EMS ein, um nach einer schweren Verletzung den Muskelschwund aufzuhalten und den Muskelaufbau zu unterstützen”, sagt Christopher Berndt, Sportphysiotherapeut bei Circles Health in Bern. “Die Patientinnen und Patienten bekommen ein EMS-Gerät mit nach Hause, das sie je nach Verfassung ergänzend zu Übungen verwenden. So verhindern wir, dass man nach überstandener Verletzung bei Null anfangen muss.”

Studien zeigen, dass elektrische Reize die Intensität von Krafttrainings steigern und so zum Erfolg beitragen können. Berndt fügt an: “Für gute Ergebnisse ist entscheidend, dass man die Impulse korrekt einstellt und den Trainingsplan der persönlichen Fitness anpasst.”

Der Mythos vom mühelosen Waschbrettbauch

Vor rund zehn Jahren kamen die hautengen Anzüge auf. Seither wird EMS neben der Sportmedizin vermehrt auch für ästhetische Zwecke verwendet. Manche Anbieter vermarkten die Technologie als Abkürzung zum perfekten Körper oder als Ersatz für konventionelles Training.

Der 37-jährige Sportphysiotherapeut meint dazu: “Die elektrischen Gurte, welche einen mühelosen Weg zum Waschbrettbauch versprechen, sind natürlich Schwachsinn. EMS eignet sich auch nicht zum Abnehmen. Mein Wunsch ist, dass der hauptsächliche Anwendungsbereich sportmedizinisch bleibt, auch um unnötige Risiken zu vermeiden.”

Wer sich auf eigene Faust an EMS versucht, riskiert, die Muskeln zu überfordern. Menschen mit Herzschrittmachern und Metallprothesen sollten gänzlich auf die Technologie verzichten. Sowieso ist Sport mehr als Muskelaktivierung. Wer auch diesen Bereich des Lebens zeitlich optimiert, verpasst eher die Freude an der Bewegung.

Viel Potenzial

EMS eignet sich, wenn Verletzungen oder andere Umstände das Training über einen langen Zeitraum erschweren. Sofern sie verantwortungsvoll eingesetzt wird, ist Berndt vom Potenzial der Technologie überzeugt: “Wir erzielen regelmässig erfreuliche Ergebnisse. EMS wird in Zukunft häufiger und vielseitiger angewandt werden. Ein Schritt in diese Richtung wären nutzerfreundlichere Geräte.”