Im schlimmsten Fall droht Erblindung

Riesenzellenarthritis Bild AdobeStock Urheber beeboys Bild: AdobeStock, Urheber: beeboys

Was ist das für eine Krankheit mit dem seltsamen Namen Riesenzellarteriitis?

Das Wort «Riesenzellarteriitis» setzt sich aus den Begriffen «Riesenzellen», «Arterien» und «-itis», der griechischen Endung für Entzündung, zusammen. Als Riesenzellen werden besonders grosse Zellen beschrieben, die durch Verschmelzung oder durch Zellkernteilung ohne Zellteilung auftreten. Charakteristisch enthalten Riesenzellen daher mehrere Zellkerne. Sie finden sich unter anderem bei Entzündungen des arteriellen Gefässsystems.

Woher kommt diese Krankheit?

Auch nach intensiven Forschungen ist die Ursache der Riesenzellarteriitis unklar. Es wird vermutet, dass banale Infekte, die Alterung des Immunsystems und genetische Prädispositionen die Erkrankung triggern. Bei der Riesenzellarteriitis handelt es sich um eine systemische Autoimmunerkrankung, bei der es zu charakteristischen Entzündungen in der Wand mittelgrosser bis grosser Blutgefässe kommt.

Wer ist betroffen?

Das Risiko an Riesenzellarteriitis zu erkranken, beginnt mit etwa 50 und erreicht zwischen 70 und 80 seinen Häufigkeitsgipfel. Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. Pro Million Einwohner kommen jährlich zwischen 200 bis 300 Neuerkrankungen hinzu. Bei der Riesenzellarteriitis handelt es sich um die häufigste Entzündung des Gefässsystems.

Welches sind die typischen Symptome?

Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Fieber, Nachtschweiss sowie bohrende Kopf- und Schläfenschmerzen, mitunter Sehstörungen oder Erblindung können in Richtung Riesenzellarteriitis weisen und sollten unbedingt und unverzüglich abgeklärt werden. Besonders plötzlich auftretende Sehstörungen in Kombination mit starken Schläfenkopfschmerzen, die Ausdruck einer Entzündung des Sehnervs und der Kopfgefässe sind, bedürfen einer sofortigen Konsultation beim Arzt, da bereits eine Verzögerung von wenigen Tagen oder im schlimmsten Falle von Stunden zu einer völligen und irreversiblen Erblindung führen kann. Mitunter können diese Symptome fehlen und lediglich eine Gesichtsschwellung oder Kauschmerzen als Leitsymptom vorhanden sein.

Was passiert, wenn man die Krankheit nicht diagnostiziert und somit auch nicht behandelt?

Da es sich bei der Riesenzellarteriitis um eine systemische entzündliche Erkrankung handelt, können praktisch alle Arterien betroffen werden. Sollte die Erkrankung nicht oder zu spät diagnostiziert werden, können Aneurysmata, Stenosen, Erblindung, Nekrosen der Kopfhaut, Zunge oder Lippe, Hirninfarkte und Myelopathien bis hin zum Tod als Komplikationen auftreten.

Wie sieht eine wirksame Behandlung aus?

Gemäss den europäischen Empfehlungen sowie jenen der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie sollen bei einer Riesenzellarteriitis zunächst systemische Steroide eingesetzt werden. Damit kommt es bei den meisten Patienten zu einem Stopp der Krankheit. Entzündungsmerkmale und körperliche Symptome sind rasch rückläufig. Im Frühstadium können arterielle Verengungen und ihre Symptome deutlich bessern. Schon bestehende chronische Veränderungen bilden sich jedoch nicht mehr zurück. Auch eine bereits vorhandene Erblindung erholt sich nicht. Wie lange Patienten mit systemischen Steroiden behandelt werden sollen, ist nach wie vor unklar. Häufig gelingt nach 1½ bis 2 Behandlungsjahren ein kompletter Stopp. Sollte während der Reduktion der Steroide die Erkrankung erneut aufflammen, können steroidsparende Immunsuppressiva gegeben werden. Gelingt es auch unter einer kombinierten Therapie nicht, die Erkrankung zu kontrollieren, gibt es einen Antikörper zur zielgerichteten Therapie. In schweren Fällen kann er auch von Anfang an eingesetzt werden.

Wie ist die Prognose mit einer optimalen ­Therapie?

Bei frühzeitiger Diagnose und Einleitung einer leitliniengerechten Behandlung ist die Prognose gut. In den meisten Fällen kann eine komplette Remission erreicht werden. Wichtig ist von Anfang an eine enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt, um ein erneutes Aufflammen der Erkrankung frühzeitig zu verhindern und wenn nötig die Therapie anzupassen.

Ich schlief nur noch

Wie kündigt sich eine Riesenzellarteriitis an? Ursula Schön aus Sulgen erzählt.

Begonnen hat die ganze Geschichte kurz vor meinem 62. Geburtstag. Eines Morgens erwachte ich mit Migräne, was für mich aber nicht ungewöhnlich war, da ich schon seit etwa 40 Jahren sporadisch darunter litt. Normalerweise verbrachte ich dann den Tag im Bett und gönnte mir einfach Ruhe, und so konnte ich am nächsten Tag wieder normal aufstehen und zur Arbeit. Diesmal aber verschwanden meine starken Kopfschmerzen nicht so schnell wieder. Ich fühlte mich abgeschlagen, fror sehr stark und habe nur noch geschlafen. Nach einer Woche suchte ich meinen Hausarzt auf. Es folgte ein Hin und Her von Spitaleinweisung und Entlassung, ohne den Grund für meine Kopfschmerzen zu finden.

Also setzte ich auf Alternativen wie Osteopathie und Chinesische Medizin. Die Schmerzen schwanden merklich, bis ich nach zwei Wochen so heftige Flankenschmerzen bekam, dass ich kaum mehr richtig atmen konnte ohne zu schreien. Ich landete bei einer Urologin wegen des Verdachts auf einen Harnwegsinfekt, was sich jedoch nicht bewahrheitete. Sie stellte hingegen einen Herzbeutelerguss fest und meldete das meinem Hausarzt, worauf er mich anrief und sagte, ich müsse sofort notfallmässig ins Spital. Dort stellte der zugezogene Rheumatologe Dr. Prillwitz die richtige Diagnose: Riesenzellarteriitis, ein heimtückisches rheumatisches Leiden, das schwere Entzündungen in allen grossen Blutgefässen verursachen kann.

Nach meinem Spitalaufenthalt führte Dr. Prillwitz die Therapie mit Cortison und Methotrexat ambulant weiter, wechselte aber wegen eines erneuten Schubs Mitte April 2019 auf eine monatliche Infusionstherapie mit einem Antikörper. Begleitend habe ich noch homöopathische Mittel, um die Nebenwirkungen zu lindern. Auch Akupunktur und eine Klangtherapie gehören zu meinem Alltag.

Mein Allgemeinzustand ist wieder sehr gut. Migräne hatte ich seither nie mehr. In Händen und Füssen spüre ich manchmal ein dumpfes Gefühl. An Gewicht habe ich sieben Kilo zugelegt. Meinen Bürojob habe ich gekündigt und lebe selbstbestimmt und frei. Jeder Tag beginnt mit einem Morgenspaziergang. Ich geniesse sehr viel Zeit in der freien Natur, wo ich mich am wohlsten fühle. Auch achte ich sehr auf eine gesunde Ernährung.

Riesenzellarteriitis Dr Heino Prillwitz
Dr. med. Heino Prillwitz