Reduziert Vitamin D das Corona-Risiko?

Prof. Bischoff cut 2

Wie wichtig ist eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D für das Immunsystem?

Prof. Bischoff-Ferrari: Die Rolle von Vitamin D im Immunsystem hat eine lange Forschungsgeschichte. Ein möglicher Zusammenhang wurde erstmals anhand von Beobachtungsstudien diskutiert. Sie zeigten, dass es im Winter mehr Infektionen und damit verbundene Krankenhausaufenthalte und Todesfälle gibt. Dann wurde der spezifische Rezeptor für Vitamin D auf Zellen des Immunsystems nachgewiesen und in weiteren Studien stellte sich heraus, dass Vitamin D Entzündungsreaktionen zu reduzieren vermag und zu einer Hochregulierung der Abwehrmechanismen gegen Infektionen durch Bakterien und Viren führt. In der Lunge wurde gezeigt, dass eine Virusexposition die aktive Form von Vitamin D entstehen lässt und damit das Cathelicin erhöht wird, ein Botenstoff, der antibakterielle und antivirale Wirkungen hat.

Dann gibt es mehrere klinische Studien, in denen man in allen Altersgruppen gegen Placebo geschaut hat, ob Vitamin D die Häufigkeit von akuten Infektionen der Atemwege verringern kann. Diese Daten wurden in einer Metaanalyse zusammengefasst, die Martineau 2017 im British Medical Journal veröffentlicht hat. In dieser Metaanalyse wurden 25 hochwertige klinische Studien mit über 10’000 Teilnehmern untersucht. Man fand eine Reduktion von akuten Atemwegsinfektionen um 12 Prozent bei den Studienteilnehmern, die Vitamin D erhalten hatten, verglichen zu einem Scheinpräparat. Bei Menschen mit Vitamin D Mangel zeigte sich eine Verminderung der akuten Atemweginfekte um 42 Prozent.

Was weiss man über den Zusammenhang zwischen Vitamin D-Versorgung und dem Risiko für schwere Verläufe von Covid-19-Infektionen?

Derzeit liegen noch keine spezifischen Studien zu COVID-19 und Vitamin D-Supplementierung vor. Angesichts der heutigen Studienlage zu akuten Atemwegsinfekten und Vitamin D scheint es jedoch ratsam, einen Vitamin D-Mangel zu korrigieren. Das ist eine einfache, kostengünstige und gut verträgliche Strategie zur Unterstützung der Immunfunktion. Zumal wir wissen, dass jede zweite Person im Winter und im Frühling einen Vitamin D-Mangel hat.

Was empfehlen Sie während der jetzigen Pandemie?

Aufgrund der bestehenden wissenschaftlichen Literatur können wir nicht ausschliessen, dass Vitamin D-Mangel ein Risikofaktor für akute Infektionen der Atemwege ist. Obwohl wir noch keine Hinweise darauf haben, dass Vitamin D-Mangel das Risiko für COVID-19-Infektionen erhöht, scheint es trotzdem ratsam, die Korrektur eines Vitamin D-Mangels zumindest bei Personen mit hohem Risiko in Betracht zu ziehen, um ihr Immunsystem zu unterstützen. Vitamin D-Mangel lässt sich relativ einfach korrigieren. Im Universitären Geriatrie-Verbund Zürich empfehlen wir einen einmaligen Bolus von 24’000 IE Vitamin D, um den 25-Hydroxyvitamin D-Blutspiegel ohne Risiko schnell auf den normalen Bereich zu korrigieren und dann mit der heute empfohlenen Dosis von 800 IE pro Tag weiterzufahren. Dieses Vorgehen ist auch sicher für all jene, die keinen Vitamin D-Mangel haben. Personen, die seit mehr als drei Monaten die empfohlene Tagesdosis von 800 IE Vitamin D einnehmen, können auf einen einmaligen Bolus verzichten, weil sie den Zielblutspiegel erreicht haben. Bei gebrechlichen älteren Menschen ist es wichtig, Bolusgaben über 24‘000 IE pro Monat zu vermeiden. Eine Studie von Ginde und Kollegen bei Pflegeheimbewohnern ergab, dass ein monatlicher Bolus von 100.000 IE Vitamin D zwar die akuten Infektionen der Atemwege um 40 Prozent reduzierte, aber auch das Sturzrisiko um mehr als das Zweifache erhöhte. Hingegen ist gut belegt, dass die tägliche Gabe von Vitamin D in einer Dosis von 800 IE in dieser Zielgruppe das Sturzrisiko senkt.

 

Erhältlich in Apotheken und Drogerien.