Lange Flüge und Autofahrten führen zu einem erhöhten Risiko für Thrombosen und Lungenembolien. Dr. Irène Kunz von der Suva sagt, wer sich wie schützen muss.
Pro Jahr benutzen mehr als 5 Milliarden Menschen das Flugzeug, um an ihr Reiseziel zu gelangen. Jede Sekunde besteigen 158 Personen ein Flugzeug. Das sind rund 13,6 Millionen pro Tag. Weil man im Flugzeug stundenlang sitzt und dabei nur sehr wenig Bewegungsfreiheit hat, besteht das Risiko für Thrombosen. Man nennt sie bezeichnenderweise Flugreisen- oder Sitzthrombose. Sie können aber genauso gut bei langen Auto- und Carfahrten auftreten.
Was genau ist eine Thrombose? Ein Thrombus entsteht durch Gerinnung des Blutes. Eigentlich ist dieser Vorgang ein Schutzmechanismus. Nach einer Verletzung schützt das Blutgerinnungssystem den Körper vor dem Verbluten. Das Blut gerinnt und schliesst die Wunde. In den unverletzten Blutgefässen soll das Blut dagegen nicht gerinnen, sondern ungehindert fliessen. Hier ist ein Gerinnsel ein störendes Hindernis für den Blutstrom und eine gefährliche Quelle für eine Lungenembolie, zu der es kommt, wenn ein Thrombus sich im Gefäss löst, mit dem Blutstrom in eine Lungenarterie gelangt, dort stecken bleibt und den Blutfluss verhindert.
Das Risiko für Thrombosen und Embolien wird grösser, wenn die Gerinnungsfähigkeit des Blutes ansteigt, zum Beispiel durch die Änderung der Blutzusammensetzung, durch eine Herabsetzung der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes oder durch Schäden der inneren Wand der Blutgefässe. Längere Flugreisen, besonders solche, die mehr als drei bis vier Stunden dauern, verlangsamen den Blutstrom. Liegen noch zusätzliche Risikofaktoren wie Krampfadern oder enge Kleidung vor, verschärft sich das Problem. Die veränderte Zusammensetzung des Blutes während einer Schwangerschaft geht mit einer erhöhten Thromboembolie-Neigung einher. Auch bei gewissen erblichen Erkrankungen ist das der Fall. Und natürlich bei Flüssigkeitsmangel. Deshalb ist es sehr wichtig, vor und während Flugreisen genügend zu trinken. Weiter können altersbedingte Schäden an den Gefässwänden und Verletzungen oder Quetschungen der Gliedmassen sowie eine erst kürzlich erfolgte Operation an den unteren Extremitäten die Bildung von Thrombosen begünstigen. Dasselbe gilt für Diabetes. Diverse Medikamente, allen voran die Pille – vor allem in Kombination mit Rauchen – gehen mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien einher.
Glücklicherweise ist das Risiko, wegen einer Flugreise eine Lungenembolie zu erleiden, verhältnismässig klein. Bei einer Flugdistanz von mehr als 10 000 Kilometern trifft es 4,8 von einer Million Reisenden. Je länger die Reise, desto grösser ist das Risiko. Studien haben aber gezeigt, dass die meisten Passagiere, die eine Thromboembolie erleiden, zusätzliche Risikofaktoren haben. Meistens ereignen sich die venösen Thromboembolien innerhalb von zwei bis vier Wochen nach einem Langstreckenflug.
Betrachtet man das Thromboembolie-Risiko genauer, stellt man fest, dass es drei Abstufungen gibt. Ein niedriges Risiko haben Menschen, die ausser der langen Flugreise in sitzender Position keine weiteren Risikofaktoren aufweisen.
Ein mittleres Risiko besteht während der Schwangerschaft und in der Zeit nach der Geburt oder bei mindestens zwei der folgenden Faktoren: Alter über 60, Herzerkrankung, familiäre Thrombose-Neigung, grosse Krampfadern, Einnahme der Pille, Hormontherapie nach der Menopause, Übergewicht mit einem BMI von mehr als 30 und Flüssigkeitsmangel.
Ein hohes Risiko haben Reisende mit früheren thromboembolischen Zwischenfällen, auch wenn diese länger zurückliegen, Patienten mit bösartigen Tumoren, fortgeschrittenem Diabetes sowie Personen mit einem kurz zurückliegenden operativen Eingriff oder ruhig gestellte untere Gliedmassen.
Die wichtigste Frage lautet: Wie lassen sich Thromboembolien verhindern? Die Reisethrombose ist eine Sitzthrombose. Das Aufstehen ist daher eine absolut logische Prophylaxe-Massnahme. Bei niedrigem Risiko genügen zur Vorbeugung Bewegungsübungen wie Fusswippen, aufstehen und ein paar Schritte gehen im Flugzeug oder im Car oder das Einlegen von Pausen bei längeren Autofahrten. Sehr wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr in Form von Wasser, nicht jedoch von Alkohol. Zurückhaltung ist auch geboten bei Schlafmitteln, die bei längeren Flugreisen hin und wieder gebraucht werden.
Bei mittlerem Thromboembolie-Risiko sollten neben all diesen allgemeinen Massnahmen Wadenstrümpfe der Kompressionsklasse I verwendet werden. Patienten mit sichtbaren Krampfadern respektive einer chronisch venösen Insuffizienz mit Verfärbungen der Knöchelregion benötigen medizinische Kompressionsstrümpfe mit einem ärztlichen Rezept. In Einzelfällen, beispielsweise während einer Schwangerschaft und bei erblich bedingter Neigung zu Thrombosen ist in Absprache mit dem behandelnden Arzt eine medikamentöse Prophylaxe zu erwägen.
Bei hohem Risiko ist die medikamentöse Prophylaxe neben den Allgemeinmassnahmen und der Verwendung von Kompressionsstrümpfen auf jeden Fall Pflicht. Sie ist mit dem Arzt genau abzusprechen.
Viele Reisende verknüpfen ihren Ferienaufenthalt mit Sporttauchen. Wichtig ist, in den letzten 24 Stunden vor einem Flug nicht zu tauchen, damit keine Dekompressionserscheinungen auftreten. Denn nebst Blutgerinnseln können auch Dekompressionsgase Blutgefässe verlegen.