Vom Liebeskummer zum Herzkrampf

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Sie ist eine sechzigjährige Frau, die gerade einiges aushält. Nach 32 Jahren Ehe und zuletzt viel Zeit zu Hause verlässt sie ihr Mann. Wenige Wochen später erhält sie die Kündigung, während sie im Home-Office sitzt. Das Gefühl, entbehrlich zu sein, gepaart mit Liebeskummer und Zukunftsängsten setzt ihr zu. So sehr, dass sie glaubt, den Schmerz im Herzen zu fühlen. Möglicherweise bildet sie ihn sich nicht ein.

Pumpe in der Tinte

Schicksalsschläge und Stress lösen die Ausschüttung von Adrenalin und ähnlichen Hormonen aus. Zu viel Adrenalin kann den Herzmuskel im Extremfall betäuben, worauf er sich zusammenzieht und aufhört zu pumpen. Im verkrampften Zustand ähnelt das Herz der Form einer Tintenfischfalle. Das dachten zumindest japanische Mediziner, als sie die Krankheit Tintenfischfallen- oder Takotsubo-Syndrom tauften.

Die typische Patientin ist eine Frau nach der Menopause, die einen Todesfall, viel Stress oder eine Trennung verarbeitet. Die Ursache, ein gebrochenes Herz, gab der Krankheit ihren zweiten Namen: Broken-Heart-Syndrom. Anders als ein Herzinfarkt hinterlässt es keine bleibenden Schäden, sofern man es überlebt. Denn es endet ähnlich oft tödlich und ist akut kaum von einem Infarkt zu unterscheiden.

Therapie ist rezeptfrei und gratis

Doch die Chance, daran zu erkranken, ist klein. Ausserdem ist das Syndrom wenig erforscht, weshalb es auch kaum gezielt vorgebeugt oder therapiert wird. Spannend ist hingegen der Zusammenhang zwischen Körper und Seele. Die Krankheit zeigt, dass Herzschmerz keineswegs Einbildung ist und psychischer Stress im schlimmsten Fall ein Herz zwar nicht bricht, aber betäubt.

Das Broken-Heart-Syndrom wurde erst 1991 beschrieben und wirft nach wie vor viele Fragen auf, was auch Ausdruck von Hilflosigkeit der Schulmedizin ist. Die Lehre tendiert dazu, den Körper isoliert zu betrachten und tut sich schwer mit Krankheitsbildern, die direkte psychische Ursachen haben. Die Anerkennung solcher Syndrome ist bereits ein Fortschritt. Jetzt fehlt nur noch, dass Spaziergänge und Geduld genauso als Therapien anerkannt werden wie Medikamente.