Wie unterscheiden sich die Symptome von Covid-19 und einer Grippe?

Eine Schnudernase allein genügt nicht für einen Test oder Schulausschluss von Kindern. Das sagt PD Dr. Christoph Andreas Fux, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital Aarau.

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Ist die Maskenpflicht sinnvoll oder unnötig?

Das Virus hat sich seit Anfang Juli vor allem unter einzelnen Gruppen junger Erwachsener ausgebreitet. Häufig betroffen sind Personen zwischen 20 und 30 Jahren, die sich in den Ferien oder bei privaten Kontakten angesteckt haben. Es geht jetzt darum, dass sich das Virus aus diesen Risikogruppen nicht in die Allgemeinbevölkerung überträgt. Dies insbesondere dort, wo sich Bevölkerungsgruppen mischen und das Virus so in eine andere Gruppe übertragen werden kann – beispielsweise beim Einkaufen, im Restaurant oder im ÖV. Hier ist die Maskenpflicht sehr wichtig.

Masken oder Schutzschild: Was schützt besser?

Masken schützen gut, weil sie die Atemwege besser abdecken und man vor allem gefilterte Luft einatmet. Wer die Maske sorgfältig der Nasenform anpasst, ist sehr gut geschützt. Falls die Brille ständig beschlägt, kann man sie über die Maske setzen. Das hilft manchmal. Zudem ist ein Schutzschild sehr sperrig.

Hat sich das Virus abgeschwächt?

Bisher hat sich das Virus genetisch nur wenig verändert. Die geringere Zahl an Todesfällen erklärt sich dadurch, dass sich in den vergangenen Wochen mit wenigen Ausnahmen nur junge gesunde Menschen angesteckt haben. In den letzten Wochen haben wir festgestellt, dass vermehrt auch wieder ältere Personen positiv getestet werden. Und in einigen Altersheimen kam es wieder zu Ausbrüchen. Für Menschen über 80 Jahren oder mit Grunderkrankungen ist die Infektion weiter lebensbedrohlich, auch wenn sich die Mehrheit zum Glück gut erholt. Die Altersheime haben viel in Ausbildung und Ausrüstung investiert. Wir alle lernen Woche für Woche, besser mit dem Risiko umzugehen.

Sollen Kinder auf Covid-19 getestet werden?

Wichtig ist vor allem ein einheitliches Konzept für alle Schulen und Kinderbetreuungsstätten. Ein entsprechendes Dokument des BAG wird sehnlich erwartet. Eine Schnudernase allein genügt nicht für einen Test oder Schulausschluss von Kindern. Während Kinder mit Fieber sicher zu Hause bleiben müssen, sollten Kinder mit wenig Husten und einem negativen Test wieder in die Schule gehen können.

Müssen jetzt auch Kinder gegen Grippe geimpft werden?

Der Bestand an Grippe-Impfungen ist beschränkt und aktuell sehr gefragt. Wir sind froh, wenn sich alle impfen lassen, die zu einer Risikogruppe oder dem Gesundheitspersonal gehören. Patienten mit Grunderkrankungen, aber auch Schwangere sollten sich impfen lassen.

Inwieweit ähneln sich die Symptome von Influenza und Covid-19?

Leider können wir das klinisch kaum unterscheiden. Geschmacks- und Geruchsstörungen sind sehr verdächtig für COVID-19, alles andere ist unspezifisch. Wir hoffen, dass Social Distancing und Masketragen zu einer so deutlich flacheren Grippewelle führen wird, wie wir das in Australien bereits beobachten konnten. Da wir aber nicht immer eine Maske tragen und nicht wissen, wie gefährlich eine kombinierte COVID-19/Grippe-Infektion ausfallen wird, sollen sich alle Risikogruppen umso mehr gegen Influenza impfen lassen.

Kann Covid-19 tatsächlich zu einem Schlaganfall führen, wie einige Berichte melden?

Eine schwere COVID-19 Infektion bewirkt im Körper eine überschiessende Entzündungsreaktion und Gerinnungsaktivierung. Dies kann zu Gerinnseln führen. Entsprechend gehören eine Kortisonbehandlung gegen die Entzündung und eine Blutverdünnung heute zu einer COVID-19-Therapie.

Was weiss man heute über Langzeitfolgen einer durchgemachten Covid-19-Erkrankung wie Fatigue oder Lungen- und Herzschäden? Wie ernst und wie häufig sind diese?

Langzeitfolgen wie oben beschrieben, kommen selten vor, können aber relevant sein. Die aktuellen Therapie-Ansätze, Unterdrückung der überschiessenden Entzündung und Thromboseprophylaxe, können einen Teil der Herz- und Lungenschädigungen verhindern. Sie müssen aber früh genug angewandt werden. Fatigue oder eine Anstrengungsintoleranz über längere Zeit beobachten wir bei älteren Berufstätigen mit durchgemachter Infektion.

Wann können wir frühestens mit einer Impfung gegen Covid-19 rechnen?

Sicherheit ist bei uns weiterhin oberste Maxime. Schnellschüsse wie in China oder Russland werden unsere Zulassungsbehörden nicht genehmigen. Es geht Schritt für Schritt. Ich bin aber zuversichtlich, dass nächstes Jahr ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Allerdings wird die Wirksamkeit nicht so gut und nachhaltig wie etwa bei der Masernimpfung sein. Wiederholte Impfungen wie bei der Influenza sind wahrscheinlich nötig.

Wird die zweite Welle zu einem Lockdown führen?

Ich glaube nicht, dass die zweite Welle zu einem Lockdown oder Kollaps der Spitalkapazität führen wird. Ein weiterer Anstieg wird eine Ausweitung der Maskenpflicht bewirken. Das wird hoffentlich eine Korrektur der Fallzahl nach unten bringen. Ein Monat nach den Herbstferien sollte dann auch der Reise-Boost vorbei sein. Basierend auf den Beobachtungen in Australien und Neuseeland dürfen wir von einer relevant tieferen Influenza-Zahl ausgehen, was die Systeme weiter entlastet. Herausforderung wird eher sein, den Senioren einen Teil ihrer Lebensqualität zurückzugeben, die zur Verhinderung einer Ansteckung um jeden Preis beschnitten worden ist.

Fux
PD Dr. Christoph Andreas Fux, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital Aarau
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 22.10.2020.

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