Wir sind am Anfang einer Revolution

Krebs Cerny neu

Die Immuntherapie ist das Topthema auf allen onkologischen Kongressen und setzt neue Massstäbe. Nach dem Haut-, Lungen-, Blasen- und Nierenkrebs erobern die neuen Wunderwaffen aus der Immunonkologie nun auch verschiedene Formen von Blutkrebs. Es macht ganz den Anschein, als ob die Immuntherapie ein universales Therapieprinzip gegen die grossen Killer ist.

Tumor mit körpereigenen Mitteln bekämpfen

Anders als die herkömmlichen Krebstherapien nutzt die Immunonkologie die Möglichkeit, den Tumor mit körpereigenen Mitteln zu bekämpfen. Denn immer wieder gelingt es Tumorzellen, das Immunsystem auszutricksen. Sie machen sich unsichtbar oder sie senden Signale aus, welche die Immunabwehr an den sogenannten Checkpoints abschalten. Hier setzen Checkpoint-Inhibitoren an und hemmen die irreführenden Signalwege der Tumorzellen. Sie lösen so die Bremsen der Immunzellen, die dann das Tumorgewebe wieder attackieren können.

Hälfte kann geheilt werden

Der neue Wirkmechanismus hat die Krebs­behandlung revolutioniert. Bereits die Hälfte aller Tumorerkrankungen kann heute geheilt werden. Und bei der anderen Hälfte nimmt die Lebenserwartung rasch zu – heute beträgt sie im Schnitt bereits fünf Jahre und mehr. Krebs wird so mehr und mehr zur langfristig kontrollierbaren Erkrankung, sogar mit normaler Lebenserwartung. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das metastasierende Melanom.

Dass jetzt auch verschiedene Arten von Blutkrebs auf ein bisher nicht vorstellbares Mass auf neue, zielgerichtete immuntherapeutische Waffen ansprechen, löst in der hämatologischen Onkologie eine neue Ära aus. Für einzelne Indikationen wird inzwischen sogar geprüft, ob immunonkologische Massnahmen die Stammzelltransplantation oder auch eine Chemotherapie ersetzen können.

Beim Multiplen Myelom zum Beispiel, einer bösartigen Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark, haben die Immuntherapien die Prognose massiv verbessert, sogar in weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien, oder wenn herkömmliche Therapien unwirksam sind. Gleiches gilt für die Leukämien und Lymphome.

Wie bewertet Prof. Thomas Cerny, Chefarzt Onkologie am Kantonsspital St. Gallen, die Rolle der Immuntherapie bei den verschiedenen Formen von Blutkrebs? «Beim Hodgkin-Lymphom haben wir eine fast ideale Situation, da diese Erkrankung praktisch in 100 Prozent der Fälle auf die Checkpoint-Inhibitoren anspricht.

Bei verschiedenen lymphatischen akuten Leukämieformen und malignen aggressiven Lymphomen werden sehr potente zelluläre Immuntherapien in klinischen Studien erprobt und zeigen sich als sehr wirksam, auch nach Versagen von Knochenmarkstransplantationen. Es zeichnet sich auch hier ab, dass sich die verschiedenen Mechanismen des Immunsystems – Antikörperbasiert oder Zellbasiert – hochwirksam gegen viele bösartige Erkrankungen einsetzen lassen. Hier stehen weitere echte Durchbrüche der Immuntherapie bevor, und wir sind erst am Anfang dieser Entwicklung.»